1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Spielen ohne Grenzen

Tourismuspreis Spielen ohne Grenzen

Das Spiele-Magazin der Halberstädter Wohnungsgesellschaft ist einer der wenigen barrierefreien Indoor-Spielplätze in Deutschland.

Von Dana Toschner 23.11.2016, 20:03

Halberstadt l „Das ist so cool“, jubelt ein sechsjähriges Mädchen, während sein Bruder mit hochrotem Kopf das Karussell anschiebt. Dass die Kleine in ihrem Rollstuhl in einem Indoor-Spielplatz so viel Spaß hat, ist keine Selbstverständlichkeit. „Über Inklusion wird viel geredet, aber wir leben die Idee wirklich“, sagt Beate Grebe, die Geschäftsführerin der Halberstädter Wohnungs- gesellschaft HaWoGe. Sie ist stolz auf das, was das kommunale Unternehmen geschaffen hat: „Zwischen Alpen und Ostsee gibt es zwar einige wenige barrierefreie Spielhäuser ohne Treppenstufen. Aber nirgendwo sonst finden Kinder, die hör- oder sehgeschädigt sind oder im Rollstuhl sitzen, spezielle Spielgeräte.“

Am Mittwoch erhielt die Halberstädter Wohnungs- gesellschaft für ihren barrierefeien Indoor-Spielplatz den „Vorreiter“- Tourismuspreis des Landes Sachsen-Anhalt. Das Spiele-Magazin wurde in der Kategorie barrierefreie Urlaubs-angebote ausgezeichnet. Insgesamt wurden auf dem landesweiten Tourismustag in der Lutherstadt Wittenberg drei Preise verliehen (siehe Infokasten).

Während die tobenden Geschwister das Rolli-Trampolin in Beschlag nehmen, erzählt Beate Grebe, wie die Idee des Spiele-Magazins entstanden ist. „So ein Spielhaus, das brauchen wir in Halberstadt auch, dachte ich mir, als ich vor einigen Jahren auf einem Trampolin in Thale auf und ab sprang.“ Eigentlich war sie mit ihren erwachsenen Töchtern nur dorthin gefahren, um ihren damals fünfjährigen Neffen Paul zu begleiten. Aber dann fand die Tante selbst Gefallen am Rutschen und Hüpfen.

Aus dem Gedankenblitz ist einige Jahre später eine originelle, 3000 Quadratmeter große Spielewelt geworden – in einem ganz besonderen Gebäude. Das denkmalgeschützte Haus gehörte einst zur Kaserne am Ebereschenhof und stand Jahrzehnte lang leer. Ausgerechnet hier einen Indoor-Spielplatz hineinzubauen, war ein außergewöhnliches Unterfangen. „Die meisten Spielhäuser sind in ziemlich schmucklosen Hallen in Gewerbegebieten oder neben Einkaufszentren untergebracht. Sie sind quadratisch, praktisch, ebenerdig. Ein altes Gebäude über drei Etagen als Indoor-Spielplatz umzunutzen, ist einzigartig“, sagt Beate Grebe. „Für unseren Anspruch der Barrierefreiheit brachte das besondere Herausforderungen.“

Damit nichtbehinderte und gehbehinderte Kinder zusammen spielen können, sind alle Ebenen per Fahrstuhl zu erreichen. Im Außenbereich gibt es ein Blindenleitsystem, drinnen sorgen farbig beleuchtete Stufen und Türrahmen, Beschilderungen in Braille-Schrift und Sprachansagen im Fahrstuhl dafür, dass sich alle gut zurechtfinden.

Mit den Besucherzahlen ist die Wohnungsbaugesellschaft zufrieden. Seit der Eröffnung im Oktober 2014 hat die HaWoGe fast 150 000 Gäste gezählt – und 1495 Buchungen der privaten Geburtstagszimmer. Favorit ist hier mit 200 Buchungen das „Fußballzimmer“, das im Stil des VfB Germania Halberstadt dekoriert ist. „Im November hat hier das bisher älteste Geburtstagskind seinen 85. Ehrentag gefeiert“, erzählt Beate Grebe. Auch im Geburtstagszimmer „Dancing Wheels“ mit Airhockey-Tisch wurde bereits ein 80. Geburtstag begangen. Ein weiteres Geburtstagszimmer ist mit Braille-Schrift und tastbaren Elementen speziell für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen geeignet.

„Wir sind dankbar, dass das Land Sachsen-Anhalt die Idee einer barrierefreien Spiellandschaft unterstützt hat“, betont Beate Grebe. Das Land gab zu dem Projekt Spiele-Magazin insgesamt 1,85 Millionen Euro dazu. Weitere Zuschüsse kamen vom Bund und der Stadt.

Die jüngsten Spiele-Magazin-Besucher toben in einem Extra-Bereich für Kleinkinder mit Bällebad und Krabbeltunneln. Kinder ab etwa zehn Jahren und Jugendliche zocken in der Teenie-Zone. Hier gibt es verschiedene multimediale Spielgeräte, zum Beispiel einen 18 Quadratmeter großen Bildschirm, an den eine Spielkonsole angeschlossen ist. Die Airhockey- und Kickertische in der Teenie-Zone sind mit dem Rollstuhl unterfahrbar.

Wenn sie zusieht, wie die Kinder die Wellenrutschen hinuntersausen, auf den Elektrokarts ihre Runden drehen und beim Klettern im Funpark außer Puste geraten, ist sie glücklich. Die Chefin der Wohnungsgesellschaft hat mit dem Spiele-Magazin ein Herzensprojekt umgesetzt.