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Wahlfälschung CDU empört über Berichterstattung

Zur Stendaler Briefwahlaffäre kritisieren die Parteien die CDU. Die schweigt und empört sich vielmehr über die Berichterstattung.

25.07.2016, 23:01

Magdeburg/Stendal l Direkt nach der parlamentarischen Sommerpause wird sich Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) den Fraktionen zu seiner Rolle bei der Stendaler Briefwahlaffäre erklären. Ein Sprecher der CDU-Fraktion bestätigte, dass der Termin mit Güssau für den 16. August anberaumt worden ist. Auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann hat Güssau für diesen Tag in die Fraktion eingeladen. Auch die AfD will das Gespräch mit ihm suchen, kündigte Fraktionschef André Poggenburg an. Linke und SPD wollen sich heute in ihren Sitzungen beraten.

Unterdessen hat Hardy Peter Güssau auf Fragen der Volksstimme mit einer vorbereiteten allgemeinen schriftlichen Stellungnahme reagiert. Darin heißt es: „Ich bin kein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren und ich habe mich auch zu keinem Zeitpunkt als Mittäter oder Teilnehmer einer Straftat schuldig gemacht.“

Die durch Volksstimme-Recherchen bekannt gewordenen Vorwürfe haben keine strafrechtliche, aber eine politische Brisanz: Der Staatsanwaltschaft vorliegende Mails belegen, dass der heutige Landtagspräsident im Juni 2014 aktiv beim Versuch beteiligt war, eine Wiederholung der Stendaler Stadtrats- und Kreistagswahl zu verhindern und eine Strafanzeige gegen den damaligen CDU-Stadtrat Holger Gebhardt zu unterbinden.

Darüber ist die Empörung in den anderen Parteien auch auf Stadt- und Kreisebene groß. So sprach beispielsweise Stadtratsfraktionsvorsitzender Reiner Instenberg (SPD) von einer „Sauerei der CDU-Spitze“ und forderte: „Wenn sie noch ein kleines Stückchen Anstand verspüren, dann sollten die Spitzen geschlossen zurücktreten“.

Die Reaktion auf den Beitrag vom Sonnabend über die Vertuschungsversuche der CDU-Spitze beim Stendaler Wahlbetrug ließ nicht lange auf sich warten. Bereits um 8.49 Uhr brachte Linke-Kreisvorsitzender Mario Blasche am Sonntagmorgen eine Pressemitteilung in Umlauf. „Die Herren Güssau, Wulfänger, Schmotz, Kühnel und Kleefeldt haben nicht nur das Vertrauen ihrer Wähler missbraucht, sondern der Demokratie einen großen Schaden zugefügt", heißt es darin. Er forderte strafrechtliche und personelle Konsequenzen, ebenso wie Helga Paschke, Fraktionsvorsitzende im Kreistag, und Joachim Röxe, Vorsitzender der Stadtratsfraktion, deren Mitteilungen wenig später eintrafen. 

Reiner Instenberg, Vorsitzender der Stadtratsfraktion von SPD/FDP/Piraten/Ortsteile, meldete sich erst am Montag zu Wort, dafür umso heftiger. „Jedes Wort zu dieser Sauerei der CDU-Spitze in Stadt und Landkreis Stendal ist eines zu viel", steigt er in die Mitteilung ein, um dann aber doch noch ein paar Worte zu verlieren. „Wenn sie noch ein kleines Stückchen Anstand verspüren, dann sollten die Spitzen geschlossen zurücktreten", fordert er. Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man eine ganze Satiresendung daraus machen.

Ziel der CDU-Spitzen sei gewesen, die Wahl im Stadtrat auch für gültig erklären zu lassen. Dann wäre nichts weiter passiert. „Der Kreistag ist genauso unter gefälschten Wahlergebnissen zustande gekommen wie der Stadtrat", meint Instenberg. Lars Schirmer, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, sagte, man hätte schon 2014 die Kreistagswahl nicht als gültig beschließen sollen.

Auch bei den Christdemokraten ist die Empörung groß, allerdings darüber, dass aus den Ermittlungsakten zitiert wurde. Auf die konkreten Vorwürfe wurde nicht eingegangen. Weder von Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU), der Vorsitzender des Stendaler Ortsverbandes ist, noch vom Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel.  „Wir haben alles Geforderte der Staatsanwaltschaft übergeben und so die Ermittlungen unterstützt", sagte Kühnel. Es sei schade, dass Inhalte der Akten in der Zeitung stünden, aber das sei nun mal so. Kommentieren wolle er das aber weiter nicht. Auch der CDU-Stadtratsvorsitzende Thomas Weise hob zunächst auf die Indiskretion ab. „Für mich ist es verwunderlich, dass Teile der Ermittlungsakte der Presse vorliegen", sagte er. Es sei nun an der Zeit, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eröffne, das wohl öffentlich sein werde, „dann müssen wir die Neuigkeiten nicht mehr nur aus der Zeitung erfahren".

Landrat Carsten Wulfänger (CDU) stellte allerdings den großen Zusammenhang her: „Letztendlich hat die Demokratie an sich großen Schaden genommen". Er fühle sich von der, dem oder denen getäuscht, die in den Wahlbetrug verwickelt sind, sollte sich der Vorwurf bestätigen.  Über Jahre hinweg würden dann viele unschuldige Menschen unter Generalverdacht gestellt. „Das ist schlimm und kann nicht wieder gutgemacht werden", fügte er hinzu.

Bei seiner Sitzung am 11. Juli hat der Stadtrat beschlossen, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Doch die Politiker müssen sich noch gedulden. „Eine Antwort der Staatsanwaltschaft Stendal, ob und wann die Akteneinsicht für die Fraktionen ermöglicht wird, steht noch aus", teilte Stadtsprecher Klaus Ortmann auf Anfrage mit.