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Fußball In einer Reihe mit Gladbach und Madrid

Kreisligist Wörmlitzer SV 90 ist dank eines kuriosen "Torfalls" zum Internet-Phänomen geworden.

Von Björn Richter 14.05.2016, 01:01

Wörmlitz l Frank Bleis hat natürlich auch zunächst die Arme nach oben gerissen. Wie man es nach einem Treffer der eigenen Mannschaft eben tut. Doch Momente nach dem 2:1-Führungstor im Kreisliga-Heimspiel gegen die SG Blau-Weiß Niegripp II sanken die Hände des Fußball-Abteilungsleiters nach unten und fassten sich an den Kopf. „Mit so etwas rechnet man einfach nicht. Der erste Gedanke war: Wo bekommen wir jetzt Ersatz her?“, erinnert sich Bleis.

Mit „so etwas“ ist jene Szene gemeint, die sich in der 75. Minute der Partie zugetragen hat: Ein langer Ball des WSV 90 springt vor Niegripps John Olze auf, über den Gästekeeper hinweg und nähert sich der Torlinie. SG-Abwehrspieler Thomas Böttcher erkennt die Situation als erstes, sprintet von Wörmlitz‘ Sebastian Rudolph bedrängt dem Ball hinterher und setzt zur Klärung an. Doch zu spät: Vom Kopf des Niegripper Blondschopfs landet das Spielgerät unter der Torlatte und im Netz. Beide Gegenspieler taumeln hinterher, werden erst von den Maschen gebremst und in diesem Moment wird es quasi historisch: Der rechte Torpfosten knickt weg und das gesamte Gestänge fällt nach hinten um.

Unbeabsichtet hat sich der WSV 90 so in eine Liste prominenter Beispiele gereiht: In Konsequenz des „Pfostenbruchs am Bökelberg“ am 3. April 1971 im Bundesliga-Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen wurden in den oberen Ligen Holz- durch Aluminiumtore ersetzt. Fast auf den Tag genau 27 Jahre später sorgte der „Torfall von Madrid“ am 1. April 1998 für eine 76-minütige Verzögerung des Anpfiffs im Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund. Marcel Reif und Günter Jauch blieben live auf Sendung und erhielten wenig später für ihre Moderation den Bayerischen Fernsehpreis.

Mit der historischen Einordnung hat man sich am Sonnabend in Wörmlitz jedoch zunächst weniger beschäftigt. Nachdem Schiedsrichter Detlef Mittelstädt (Gommern) dem Treffer die Anerkennung gab, stand der Fortgang der Partie dennoch auf der Kippe. Doch kurzerhand wurde ein rollbares Trainingstor hervorgeholt. Etwa zehn fleißige Helfer packten bei der Befestigung des Provisoriums mit an. „Selbst die Frauen haben Tüten mit Sand zum Verfüllen geschleppt. Es war erstaunlich, wie schnell alles wieder stand. Ein großer Dank an alle Helfer“, so Bleis.

Als Glücksfall erwies sich zudem Carsten Bösche. Der 26-Jährige, der im Sommer 2015 aus gesundheitlichen Gründen mit dem Kicken aufhörte, begleitet regelmäßig die Spiele seines Teams mit der Kamera. „Es war reiner Zufall, dass diesmal außer von der Seitenlinie auch hinter dem Tor gefilmt wurde.“

Nachdem Bösche mehrere Internet-Medien kontaktierte, hat sich der „Torfall von Wörmlitz“ wie ein Lauffeuer verbreitet: Das Nachrichtenmagazin „Focus“, die Fußballzeitschrift „11Freunde“ und der österreichische Ableger des Bezahlsenders „Sky“ teilten etwa das Video. Via „Facebook“-Seite des WSV erzielte der Clip auf diese Weise bis gestern rund 42.500 Aufrufe, auf der Video-Plattform „YouTube“ waren es 3700.

Der öffentliche Zuspruch könnte sich für den Verein, der nun bis zum nächsten Heimspiel am 28. Mai gegen Redekin wieder ein „richtiges“ Tor beschaffen möchte, lohnen. Durch Spenden von Sponsoren, Privatpersonen und via Internet-Bezahldienst PayPal sind erste Spenden eingegangen. „Wir reden von Kosten in Höhe von 950 Euro. Als kleiner Verein sind wir natürlich über jede Spende dankbar“, sagt Bleis, der neben der Finanzierung des neuen Tors ein weiteres Hilfsanliegen hat: „Wir sind mit elf, zwölf Spielern in dieser Saison recht erfolgreich und sind 18 Partien in Folge ungeschlagen geblieben. Zur neuen Saison würden wir uns dennoch über jedes neue Gesicht freuen.“ Angesichts des Popularitätsschubs, der dem Verein in dieser Woche zuteil wurde, dürfte Wörmlitz allerdings auf der ein oder anderen persönlichen Landkarte neu aufgetaucht sein.