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Leichtathletik Seine einzige Hürde ist die Zeit

Der 37-jährige Eik Ruddat vom SC Magdeburg ist seit dem 1. Januar Bundestrainer Sprint der U 18.

Von Daniel Hübner 31.01.2016, 00:01

Magdeburg l Eik Ruddat würde gerne den Erfinder der Zeit kennenlernen, um ihm freundlich die Leviten zu lesen. Denn freundlich kritisieren kann der 37-Jährige ganz wunderbar. „Ich kann in traurigen Momenten die Schulter hinhalten, ich kann aber auch der harte Hund und Motivator sein“, beschreibt Eik Ruddat den Trainer Ruddat beim SCM und den Lehrer Ruddat am Sportgymnasium.

Er würde den Erfinder der Zeit dann fragen, warum eine Woche nur sieben Tage hat und warum ein Tag nur 24 Stunden zählt. Ruddat braucht viel mehr, um sein Leben in Zeit zu packen. Zu seinem Leben gehören Gattin Antje, Sohn Elias und Tochter Alena. „Ohne meine Frau würde dieses Leben gar nicht funktionieren“, sagt Ruddat. Dazu gehört die Dienstagsrunde mit den Freunden, in der es nicht um Sport geht, „sondern um die ganz alltäglichen Dinge“. Und die ihm deshalb fehlt, weil er häufig passen muss. Die meiste Zeit des Tages lebt Ruddat nämlich für die Leichtathletik – in der Halle, in den Gedanken.

Neuerdings gehört dazu auch die Aufgabe als U-18-Bundestrainer Sprint, in die er zum 1. Januar offiziell durch den Deutschen Leichtathletikverband (DLV) eingeführt wurde. Für diese Honorarstelle gesteht ihm das Kultusministerium Sachsen-Anhalt vier Lehrerstunden weniger zu. „Das ist auch nötig und es sollten noch einige mehr werden“, erklärt Ruddat. Er kooperiert mit den Bundestrainern Jörg Möckel (Nachwuchs), Ronald Stein (Sprint Frauen und Männer) und Marco Kleinsteuber (400 m Männer). Er muss Lehrgänge des Nationalkaders, zu dem aus seiner SCM-Riege Thomas Barthel (100/200 m) und Karl-Moritz Meier (400 m Hürden) gehören, vorbereiten und leiten. Seinen ersten Einsatz als DLV-Coach hat er am 27. Februar beim Länderkampf in Padova (Italien). Ruddat sagt: „Bislang gab es erst einen Bundestrainer aus dem Lehrerbetrieb her-aus.“ SCM-Ikone Ingolf Wiegert nämlich, der 1994/95 die Handball-Nationalmannschaft der Frauen verantwortete. „Ich denke, für das Gymnasium als Eliteschule des Sports ist das eine Visitenkarte.“

Der DLV und das Kultusministerium dürfen sich sicher sein, dass sie viel Leidenschaft und Akribie bekommen. Gibt man Ruddat das Stichwort Hürdensprint, brennt plötzlich ein Feuer in seinen blauen Augen, beginnt sein lebhafter Vortrag über seine Faszination für diese Disziplin. Ruddat würde damit jeden Studenten morgens um acht in der Vorlesung aus dem Schlaf reißen.

Er ist zudem ein guter Zuhörer, interessiert, lösungsorientiert. Die Gesellschaft darf sich deshalb freuen, dass auch aus der nächsten und übernächsten Generation unter Ruddat motivierte Damen und Herren hervorgehen. „Aus allen Sportlern, die ich hatte, sind gute Menschen geworden, und zu allen habe ich immer noch Kontakt – egal, ob sie deutscher Meister waren oder nicht“, berichtet Ruddat. „Darauf bin ich stolz.“ Marco Kleinsteuber, der seit 2011 am Bundesstützpunkt Magdeburg mit Ruddat zusammenarbeitet, kann alles bestätigen und sagt: „Eik ist ein sehr ehrgeiziger und motivierter Trainer und Pädagoge durch und durch. Ich bin froh, ihn in unserem Team zu haben und freue mich, dass der DLV seine Fähigkeiten erkannt hat.“

Diese Fähigkeiten hat sich Ruddat hart erarbeitet: Nicht zuletzt mit dem Aufbau des Landesleistungsstützpunktes Niedersachsen in Helmstedt, wo nach seinem Studium für Sport und Geschichte auf Lehramt 2005 seine Referendariatzeit begann. „Das war ein schmerzlicher Prozess für mich, weil ich meine grün-rote Wohlfühloase verlassen musste“, erinnert sich Ruddat, der zuweilen sieben Tage pro Woche im Auftrag seiner Berufung zwischen seinem Lebensmittelpunkt Magdeburg, Helmstedt oder Wettkampforten in ganz Deutschland gependelt ist. Bereut hat er seine insgesamt sechs Jahre in Helmstedt dennoch nicht. Dazu waren die Erfahrungen und Kontakte zu wertvoll, dazu war sein Blick aus der Ferne auf die Heimat zu wichtig. „So habe ich die Infrastrukur beim SCM richtig schätzen gelernt“, sagt Ruddat.

Er war selbst immer ein Teil der Struktur. Mit 13 Jahren kam er vom Radsport bei Dynamo über seinen Vater und SCM-Urgestein Erhard Ruddat zur Leichtathletik und wurde Läufer. Aber er wusste irgendwann auch, dass es für eine Karriere im Leistungssport nicht reichen wird. „Deshalb habe ich mein Studium sehr bewusst gewählt“, erklärt er. Einerseits wollte er sich sozial absichern, andererseits wollte er als Trainer „etwas zurückgeben“ von dem, was er selbst jahrelang als Sportschüler genossen hat.

Es ist nur nicht einfach, in der Leichtathletik eine breite Spitze aufzubauen, die sich international bewähren kann. „Es kommen zu wenig oben an“, bestätigt Ruddat. Zum einen fehle es an der Sichtung von Talenten in den Schulen. Zum anderen „brechen sie uns aufgrund von äußeren Einflüssen weg. Deshalb müssen wir ihnen richtig gute Angebote machen, ob für das Studium oder für die Ausbildung. Wir müssen ihnen mehr helfen, über die Stolpersteine ihrer Entwicklung hinwegzukommen.“

Sein Stolperstein ist oft die Zeit, die er für viele Dinge nicht ausreichend hat. Zumindest einen festen Termin hat sein Leben außerhalb der Leichtathletik. Und über diesen redet er ebenso leidenschaftlich wie über den Hürdensprint. „Wir sind in der Familie begeisterte Skifahrer. Und meine Athleten wissen genau, in den Winterferien müssen sie immer eine Woche auf mich verzichten“, sagt Ruddat. Sieben Tage Urlaub nur für Antje, Elias und Alena. So viel Zeit muss sein.