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Classic-Kegeln Ein Kindheitstraum ist wahr geworden

Mit Platz zwei bei den Landesmeisterschaften hat sich Laura Meyer von Salzland Staßfurt für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert.

Von Enrico Joo 12.05.2017, 23:01

Staßfurt l Laura Meyer reagiert so gelassen und ruhig, als hätte sie nie im Leben etwas anderes gemacht als sich artig zu bedanken. Da sitzt die 15-Jährige in dem Vorraum der Kegelhalle in der Charlottenstraße in Staßfurt. Manchmal kommt Laura gar nicht mehr dazu, ihre soeben angefangenen Sätze zu beenden, weil immer wieder ein neues Vereinsmitglied im Vorbeigehen auf sie zukommt, um (auch verbale) Schulterklopfer zu verteilen und die Nachwuchs-Athletin zu beglückwünschen. Ein ehrliches „Dankeschön“ kommt ihr dann über die Lippen und sie lächelt milde. Und man sieht jedes Mal: Trotz aller Bescheidenheit ist Laura Meyer auch stolz auf sich. Sie freut sich über die Anerkennung im Verein.

Die Keglerin vom SV Salzland Staßfurt hat etwas geschafft, was nur wenigen Keglern des Staßfurter Vereins vorher geglückt ist. Die 15-Jährige hat sich mit dem zweiten Platz bei den Landesmeisterschaften am 23. April in Schönebeck für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert. Dabei war schon die Qualifikation für die Landeskämpfe keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Zum dritten Mal wurde Laura Kreismeisterin. Diesmal gelang ihr das Kunststück Ende Februar in Könnern. Und bei der Landesmeisterschaft in Schönebeck zeigte sie vielleicht die besten Partien ihrer noch jungen Karriere. 574 Kegel holte Laura Meyer am ersten Tag, das war persönliche Bestleistung. Zusammen mit den 516 am zweiten Tag kam sie dann auf 1090 Holz. Freilich auch in der Gesamtwertung eine persönliche Bestleistung. Am Ende wurde sie Zweite hinter Sarah Rolf (Gatterstädter SV, 1138 Holz). Was die Staßfurter Keglerin da gedacht hat? „Mir war das eigentlich erst auf der letzten Bahn klar“, sagt sie. Und dann? „War ich total glücklich und konnte das nicht glauben.“ Innerlich hat sie geschrien. Äußerlich blieb sie cool. Ihr Erfolgsrezept: Nicht auf die Nachbarbahn schauen, immer fokussiert bleiben, keine mentalen Höhenflüge bekommen im Wettbewerb. Das engt zu sehr ein in der Leistungsfähigkeit. Draußen saß ihre Oma Regina Meyer, die sich freilich sehr freute. „Ich war so stolz. Auch darauf, wie ruhig sie geblieben ist. Es macht Spaß, ihr zuzuschauen.“ Und die 73-Jährige ist ja eine Kennerin. Regina Meyer ist nicht nur die Oma, sondern auch die Trainerin der Jugendspieler vom SV Salzland Staßfurt. Also auch von Laura Meyer.

Bei Meyers liegt das Kegeln wahrlich im Blut. Oma Regina kegelt seit 1982. Sie selbst war im Jahr 2000 auch mal bei Deutschen Meisterschaften dabei und wird am Pfingstwochenende (4./5. Juni) zusammen mit dem Opa Laura Meyer nach Oggersheim begleiten. Als moralische Unterstützung und letzte technische Tippgeberin auf der großen Bühne. Zwölf Bahnen gibt es dort. Laura weiß: Das wird so oder so ein einzigartiges Erlebnis. „Ich habe noch nie auf so einer großen Bahn gespielt“, sagt sie. Auf vielen Videos im Internet hat sie aus der Ferne bereits die besondere Atmosphäre aufgesogen, nun wird sie es bald hautnah erleben. Gänsehaut sicher inklusive.

Was ihre Ziele sind? „Unter die besten zwölf wäre toll.“ Ihr lässiges, aber auch kühl passendes Motto: „Was kommt, dass kommt. Was nicht, dass bleibt.“ Mit diesem entspannten Mix aus Gelassenheit und Selbstvertrauen wurde sie schon Kreismeisterin und Vizelandesmeisterin.

Kegeln, das war schon immer ein fester Bestandteil im Leben von Laura Meyer, seit 2010 trainiert sie regelmäßig. Als Neunjährige ist sie in den Verein SV Salzland eingetreten. „Ich habe mal Reitsport gemacht“, erzählt sie. Aber Kegeln ist ihre Leidenschaft. Was in der Familie liegt. „Ich war schon in der Babyschale in der Kegelhalle“, sagt sie lachend. Denn auch ihre Mutter Berit ist Keglerin. Die 44-Jährige kegelt seit ihrem 16. Lebensjahr, angesteckt von ihrer Mutter Regina. „Ich bin durch die Mama hängengeblieben“, sagt sie. Was sie an dem Sport schätzt: „Man kann da vollkommen abtauchen.“ Die schnelle Welt draußen dreht sich weiter. Aber in der Kegelhalle steht die Zeit für einen Moment still. Ihre Tochter Laura sieht das fast genauso. „Kegeln beruhigt. Man vergisst die Stresssituationen.“

Sie liebt ihren Sport. Und macht das nicht, weil schon Mama und Oma kegelten und kegeln. „Ich wurde nie dazu gezwungen“, meint Laura. Sie sagt aber auch: „Ohne Mutti und Oma wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen.“ Aber sie hat ihre Entscheidung nie bereut.

Doch draußen in der hektischen Welt und in der Schule, da verstehen sie Laura Meyer nicht immer. Denn Kegeln ist irgendwie uncool. Noch immer. „Da hieß es dann schon mal: Die immer mit ihrem Kegeln“, sagt Laura lachend. „Viele verstehen das nicht und interessieren sich auch nicht dafür. Das ist eigentlich schade.“

Mutter Berit hakt ein. „Kegeln ist ein Familiensport, aber vor allem unterschätzt.“ Dabei braucht es bei 120 Wurf viel Ausdauer, Disziplin und Konzentration, aber auch entsprechende Technik. Jeder kann zu jeder Zeit mit dem Kegeln anfangen, aber um auch ein Guter in diesem Sport zu werden, dazu braucht es Zeit. Und Geduld. So wie bei Laura Meyer. „Sie hat sich ihren Traum erfüllt. Das finde ich schön“, sagt die glückliche Mama Berit.

Am 4. Juni also wird Laura Meyer vom SV Salzland Staßfurt um 5 Uhr morgens mit ihren Großeltern aufbrechen. Meyers können nicht einen Tag vorher anreisen, weil an dem Sonnabend eine Jugendweihe-Feier in der Familie ansteht. Um 14.30 Uhr geht es dann los am Pfingstsonntag. Mit 23 anderen Teilnehmern wird Laura Meyer die beste Nachwuchs-Keglerin der U 18 in Deutschland ermitteln. Dass Laura da dabei ist, das allein ist schon ein toller Erfolg. Mehr kann, muss aber nicht. Gelassenheit ist eine Tugend. Und Laura Meyer hat diese perfektioniert.