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Handball Aus Feinden wurden Freunde

Aus einem früher emotionalen Derby zwischen Westeregeln und Borne ist ein sportlich faires Duell von Ortsnachbarn geworden.

Von Enrico Joo 25.11.2016, 23:01

Westeregeln/Borne l Markus Grau ist zwar mit seinen 32 Jahren mittlerweile in einem gestandenen Handballer-Alter. Und es waren wirklich einige Spiele, die der Spieler von Handball-Verbandsligist Wacker Westeregeln gegen Germania Borne mitgemacht hat. Als der Ur-Westeregelner aber nach seiner schönsten Derby-Erfahrung gefragt wird, kann dieser sofort ein Spiel herauspicken. „Das Spiel, als Clemens Grafenhorst in der letzten Sekunde den Siegtreffer zum 28:27 gegen Borne gemacht hat. Das war sehr geil.“ Wann das genau war, weiß er dann doch nicht mehr. Ist schon ein paar Jahre her. Die Statistik sagt: Das war der 7. Januar 2012. Und es war das knappste Spiel, was es jemals zwischen den beiden Mannschaften gab.

Am Sonnabend ist es also wieder soweit. Das brisante Derby zwischen Wacker Westeregeln und Germania Borne steigt. Nicht mal zehn Kilometer trennen die Orte Westeregeln und Wolmirsleben, wo die Germania ihre Heimspiele austrägt. Anwurf ist um 16 Uhr in der Sporthalle in Westeregeln. Wobei: So brisant ist das Derby ja gar nicht mehr. Das war früher anders. Grau erinnert sich daran, als er als Jugendlicher selbst zugeschaut hat auf der Tribüne: „Das war da schon ganz schön haarig. Da gab es haufenweise Rote Karten.“ Und die Spieler waren sich überhaupt nicht grün. Da flogen also auch mal die Fetzen.

Heute ist das freilich etwas anders, irgendwie entspannter geworden. „Die große Rivalität ist nicht mehr vorhanden“, gibt auch Steffen Halfpap auf Borner Seite zu, für den das schönste Derbyerlebnis der 30:24-Sieg am 5. Mai 2012 war. „Da trinkt man dann nach dem Spiel auch mal ein Bier zusammen.“ Man kennt sich eben. „Sebastian Scholz arbeitet in Westeregeln“, berichtet Grau zum Beispiel über den Rückraumspieler von Borne. „Und Christian Fink arbeitet in einer Physiotherapie in Egeln. Ein paar Freunde und Bekannte waren schon dort in Behandlung.“ Da hat Fink sogar ab und zu die Körper der Rivalen fit gemacht.

Und gerade für Halfpap und Grau ist das alles andere als ein Hassspiel. Denn die beiden sind Freunde. „Wir waren früher sehr dicke“, erzählt Halfpap. „Wir haben viel miteinander unternommen, haben gefeiert und die Sau herausgelassen. Das waren coole Zeiten.“ Halfpap selbst hat fünf Jahre in Westeregeln gewohnt, aber immer in Borne gespielt. Heute feiern Grau und Halfpap nicht mehr jedes Wochenende. Was auch am Alter liegt, am Beruf und an der Familie. Da fehlt ein bisschen die Zeit.

Für 60 Spielminuten wird die Freundschaft aber natürlich heute ad acta gelegt. Und gerade die Germania hat ein bisschen was gutzumachen. In der vergangenen Saison hat Borne zwei klare Niederlagen gegen den Rivalen aus demNachbarort kassiert. Zu Hause gab es ein 25:36. Auswärts dann ein 26:38. Man versteht Halfpap, wenn er sagt: „Wir sind der Außenseiter.“

Zumal der SVG Personalprobleme hat. Steffen Halfpap weiß selbst noch nicht so genau, ob er dabei sein kann. Die Arbeit könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Christian Fink ist angeschlagen und Torwart Robin Salm – im Sommer erst von Westeregeln nach Borne gewechselt – verpasst das Duell gegen seine alten Weggefährten, weil er arbeiten muss.

Aber auch in Westeregeln läuft es nicht rund. Der Vizemeister der Vorsaison steht mit 6:10 Punkten nur auf dem neunten Rang. Das ist zu wenig. Grau erklärt das mit den Nachwehen der Saisonvorbereitung. „Wir hatten kaum Trainingsbeteiligung durch viele Verletzte und Urlauber.“ Automatismen konnten lange nicht greifen, weil sie kaum trainiert werden konnten. Noch immer fehlt es in einigen Momenten an den Abstimmungen. „Wir sind nicht zufrieden“, sagt Grau. Immerhin ist es die vergangenen Wochen besser geworden. Grau zieht beispielhaft den 29:22-Erfolg von vor drei Wochen gegen den Glinder HV heran. „Es geht bergauf.“

Die Westeregelner hoffen natürlich in der heimischen Halle auf einen Sieg. Aber auch der Gastgeber muss erst einmal schauen, wo er personell gesehen so steht. Grau selbst ist noch immer gesundheitlich angeschlagen wegen Magen-Problemen. Er fehlte auch vergangenes Wochenende bei der knappen Niederlage in Seehausen. Ob er am Sonnabend dabei ist? „Ich werde da sein. Ich fühle mich gut“, kündigt Grau an. „Da wirft man sich eine Kohle-Tablette rein und dann geht es.“ Er will das Derby auf keinen Fall verpassen.

Fakt ist aber, dass die Westeregelner ohne ihre Trainer auskommen müssen. Yves Grafenhorst, im Hauptamt ja Spieler beim Handball-Bundesligisten SC Magdeburg, wird im EHF-Pokal gebraucht. Der SCM spielt auswärts beim RK Nexe Našice in Kroatien. Und Matthias Zeidler ist aus privaten Gründen in München. Klingt nach einem echten Problem. „Sicher wäre es schöner, wenn sie dabei wären“, sagt Grau. „Aber Yves (Grafenhorst, Anm. d. Red.) hat mal gesagt, dass man für ein Derby keinen Trainer braucht.“ Motiviert werden muss keiner. Die taktischen und technischen Abläufe kennen die Spieler sowieso. René Loewe und Grau selbst werden auf dem Protokoll als Trainer stehen. „Wir kriegen das hin. Wir wissen, was zu tun ist“, so Grau.

Neben den Trainern gibt es auch noch bei ein paar Spielern Fragezeichen. „Ein bis zwei Spieler sind angeschlagen“, sagt Grau. Wer das ist? Er lacht. Das verrät Grau nicht. Er will dem Gegner aus Borne keine nützlichen Informationen geben. So weit geht die Freundschaft dann eben doch nicht. Auch nicht bei Grau.