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Keine klassischen Muster Deals, Machen, Erfolg: Der Anti-Politiker im Weißen Haus

Dieses Trump-Interview ist wie ein Theaterstück. Wie vom künftigen US-Präsidenten selbst inszeniert, von barocker Opulenz, mit vielen überraschenden Wendungen. Kein leichter Stoff, aber extrem spannend.

Von Martin Bialecki, dpa 16.01.2017, 15:16

Washington (dpa) - Es ist ein selten geschlossener Einblick in das Denken Donald Trumps. Das lange Interview, das "Bild" und "Sunday Times" in New York mit ihm geführt haben, führt seine Motivation vor Augen, sein Weltbild, seine vielen Linien. Der Anti-Politiker in seiner eigenen Welt.

Trump definiert und kartiert diese Welt hier ausschließlich über sich. Seine Wahrnehmung, seine Erlebnisse, seine Erfahrung - das ist es, was ihn leitet.

Sein Bild von der EU speist sich aus einem Negativerlebnis mit Umweltvorschriften bei einem Bauvorhaben. Sehr schlecht! Habe er eben nix gebaut. Züge eines trotzigen Kindes hat ihm schon eine Handvoll Biografen attestiert. Den Brexit habe er gespürt, er kenne sich ja aus auf der Insel, habe er doch einen Golfclub in Turnberry. Und der Verfall des Pfund Sterling, einfach großartig für's Geschäft, also für seines.

Trump hat freie Fahrt. Kritisches Nachhaken bei Widersprüchen oder sachlichen Fehlern gibt es nicht, etwa wenn es um die Zahl der Nato-Staaten geht oder die Briten und den Brexit. Das mag daran liegen, dass neben "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann der Brite Michael Gove das Interview als "Times"-Kolumnist bestreitet - als Politiker einer der härtesten Anführer der Brexit-Bewegung.

Trump ist in der Lage, einen Gedanken mit dem Gegenteil seines Anfangs zu beenden. Die deutsche Kanzlerin achte er sehr, er kenne sie zwar nicht, ihre Flüchtlingspolitik allerdings: Katastrophe. Stolz auf seine deutschen Wurzeln? Ja, klar - aber heute sei das Land ein schlechtes Vorbild. Da könne er heute nicht sagen, ob er die Kanzlerin unterstützen werde.

Dass an der 5th Avenue jeder einen Mercedes vor seiner Tür habe, auf deutschen Prachtstraßen aber keine Chevrolets verkehrten, das gehe so nicht. Was Trump "Gegenseitigkeit" nennt, werden andere als Protektionismus erahnen. Seine Wähler werden es bejubeln: Amerika zuerst, so wie er es gesagt hat.

Wer in dem Interview nach klassischen Politikmustern sucht, geht fehl. Ein Tasten oder diplomatisches Florett gibt es hier nicht, gehüstelte Umwegformulierungen oder Codes auch nicht. Was Trump präsentiert, muss seinen Kritikern nicht gefallen, aber es wirkt ausgesprochen authentisch - und er ist dafür gewählt worden. Sein Politikverständnis ist ungewöhnlich, anders und neu.

Rücksichten sind wenige zu erwarten, dafür wird weiter getwittert, und zwar als eine Art Notwehr gegen so viel in seinen Augen fiese Berichterstattung. Lieber direkt ran an die Leute. Originalton: "Ich kann "bing bing" machen und mache einfach weiter, und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere."

Frage an Trump: Wie er die Zukunft Europas sehe? Antwort: "Das ist schwer. Ich habe mit dem Chef der Europäischen Union geredet, ein sehr angenehmer Herr rief mich an." Frage: Herr Juncker? Antwort: Ja, um ihm zu gratulieren. Das diplomatische Parkett wird hier betoniert, kurzerhand und unbekümmert. Abgesehen davon war es der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk, der mit Trump telefoniert hat. Nicht Juncker, der Präsident der Kommission. Kompliziertes Europa.

Dass Trump im Interview mit vertraulichen Karten aus Afghanistan herumfuchtelt, "oh, das darf ich Ihnen gar nicht zeigen, weil es geheim ist", muss niemand beruhigend finden, es fügt sich aber ins Bild des auch außenpolitisch Unbekümmerten. Und wie hieß noch die britische Premierministerin? "Ich werde mich treffen mit ... Wenn Sie den Brief sehen wollen, wo auch immer der Brief ist, sie hat ihn gerade geschickt..." Um ein baldiges Treffen bitte sie jedenfalls. Er meint Theresa May.

Überhaupt, die Briten! Schon seine Mutter habe das Hofzeremoniell und die Schönheit geliebt, niemand könne das so gut wie die Engländer. "Meine Mutter war sehr zeremoniell, ich glaube, daher habe auch ich diese Seite." Typisch deutsch an ihm sei allerdings die Ordnungsliebe, er möge es, wenn Dinge ordentlich erledigt würden. Mit Akribie war Trump bisher gar nicht so aufgefallen. Weniger überraschend dagegen: "Ich mag Stärke." Die Idee des Helden wiederum nicht.

So sehr Trumps Gedanken mäandern, sich kräuseln und unversehens abbiegen, so sehr kreisen sie um ein Zentrum: Machen. Deals. Erfolge. Das ist Trumps Achse, Ideologie oder Weltanschauung sind ihm nicht wichtig. Er habe die Leute ja gefragt, ob sie einen Konservativen wollten oder jemanden, der großartige Deals mache. "Und sie rufen alle "großartige Deals, großartige Deals"!"

Ein Kernzitat: "Den Leuten ist es egal, wenn Du redest, sie wollen gute Deals. Wissen Sie was? Sie wollen ihre Jobs zurück."

Trump erweckt in diesem bemerkenswerten Interview den Eindruck, als freue er sich wirklich aufs Weiße Haus. Dort werde sich sein Leben, gut und erfolgreich, zwar schon sehr ändern. "Das Weiße Haus ist etwas ganz Besonderes, es gibt so viel Arbeit zu erledigen, ich werde nicht oft weggehen. Wer will schon das Weiße Haus verlassen?"

Genüsslich erzählt Trump von Lob und Anerkennung für ihn, den Anti-Politiker, der es ohne jede praktische Erfahrung allen Profi- und Berufspolitikern gezeigt habe. "Ich glaube, es ist ein bisschen, wie einen Baseball zu treffen oder ein guter Golfspieler zu sein." Eine natürliche Begabung sei viel wichtiger als Erfahrung.

Chirurgen oder Piloten wird bei aller nötigen Begabung niemand absprechen, dass ausreichende Erfahrung zentral für ihren Erfolg ist. Wie das bei US-Präsidenten ist, kann die Welt vom 20. Januar an beobachten. Oder erleben.