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Nach Diesel-Krise Volkswagen droht ein neuer Machtkampf

Die Eignerfamilien und Großaktionär Katar üben offenbar Druck auf die Arbeitnehmervertreter bei Europas größtem Autobauer aus.

03.05.2016, 23:01

Wolfsburg l Bei VW haben die Arbeitnehmervertreter stets etwas mehr in den Gremien zu sagen, als es in Unternehmen sonst üblich ist. Das liegt vor allem daran, dass das Land Niedersachsen nach den Familien Porsche und Piëch der zweitgrößte Aktionär ist und sich mit seinen Gremienvertretern im Zweifelsfall arbeitnehmerfreundlich positioniert.

Und so lange es bei Europas größtem Autobauer immer nur bergauf ging, hatten weder die Eignerfamilien noch der Großaktionär Katar damit Probleme. Öffentlich gab es keine Kritik ,wenn sich Konzernbetriebsrat Bernd Osterloh mehr oder weniger als Co-Konzernchef gerierte.

Doch spätestens seit dem Diesel-Skandal hat die jahrelang gepflegte Eintracht tiefe Risse bekommen. Volkswagen muss mehr als 16 Milliarden Euro für die Bewältigung der Krise ausgeben, gleichzeitig weitere Milliarden in Elektroautos und in den Konzernumbau investieren. Die Eignerfamilien Porsche und Piëch sowie Großaktionär Katar wollen deshalb wohl auch stärkere Einschnitte durchsetzen und stören sich am Widerstand der Arbeitnehmer.

Vor zwei Wochen soll es nach Angaben von Süddeutscher Zeitung und NDR zum heftigen Streit im Aufsichtsrat gekommen sein. Die Eignerfamilien und Katar wollten durchsetzen, dass in diesem Jahr keine Dividende an die Aktionäre ausgezahlt wird. Ihr Argument: Das Geld, das dafür aufgebracht werden müsste, sollte in Krisenzeiten lieber im Unternehmen bleiben. Die Arbeitnehmervertreter setzten jedoch mit dem Land Niedersachsen per Kampfabstimmung durch, dass der Jahreshauptversammlung eine niedrige Dividende von 17 Cent für Vorzugsaktien empfohlen wird.

Ums Geld ging es dabei aber offenbar nur auf den ersten Blick. Manche Beobachter glauben, dass sich die Porsches und Piëchs mit Katar verbündet haben, um ihre Macht mit Hilfe einer trickreichen Dividenden-Politik auszubauen.

Nach dem Aktienrecht bekommen Vorzugsaktionäre bei Hauptversammlungen ein Stimmrecht zugesprochen, wenn dass Unternehmen zwei Jahre hintereinander keine Dividende auszahlt. Sollte es dazu bei VW kommen, dann würde der Anteil von Stammaktionär Niedersachsen unter die entscheidende Marke von 20 Prozent fallen. Diese Marke ist deshalb von Bedeutung, weil es in der VW-Satzung heißt, dass wichtige Beschlüsse nur mit 80 Prozent der Stimmrechtsanteile gefasst werden dürfen. Die Eignerfamilien und Katar könnten demnach viel einfacher den Konzern regieren, wenn Niedersachsens Anteil unter 20 Prozent fallen würde.

Für eine trickreiche Dividenden-Politik der Eigner spricht zudem der Umstand, dass Großaktionär Katar nicht nur Stammaktien, sondern auch 23 Millionen Vorzugsaktien besitzen soll. Sollten Dividenden-Zahlungen ausbleiben, dann würde vor allem Katar automatisch mehr Stimmrechte erhalten. Auch die Familien Porsche und Piëch könnten über ihre Porsche SE Stimmzuwächse verzeichnen.

Mit Spannung erwarten Beobachter deshalb nun die Jahreshauptversammlung am 22. Juni in Hannover. Dort könnten die Eignerfamilien mit einfacher Mehrheit durchsetzen, dass entgegen dem Arbeitnehmer-Vorschlag aus dem Aufsichtsrat, 17 Cent zu zahlen, doch keine Dividende gezahlt wird. Sollte es dazu kommen, würde der Machtkampf wohl eskalieren.

So mancher VW-Analyst glaubt jedoch nicht, dass es die Eignerfamilien zum Äußersten treiben werden. Die Arbeitnehmer könnten auf die Barrikaden gehen, wichtige Entscheidungen im Aufsichtsrat blockieren, so lange sie dort noch Mehrheiten finden. Der Schaden fürs Unternehmen wäre am Ende wohl größer als der Nutzen. Doch andererseits ist es für so manchen auch nicht abwegig, dass die Familien „einen Warnschuss“ abgeben, eine Drohkulisse aufbauen, um Einschnitte bei VW durchzusetzen.