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Bestseller Platz drei für die Twitter-Oma

Mit der Kunstfigur Oma Renate Bergmann schafft es der Genthiner Torsten Rohde auf Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste.

Von Elisa Sowieja 11.08.2016, 01:01

Genthin l „Die ganze Grabreihe, in der mein Walter liegt, waren Patienten von Doktor Reiher. Aber das muss ja nichts heißen.“ Etwas derbe ist er schon, der Humor von Renate Bergmann. Aber für genau diese schrullig-makabere Art wird sie geliebt. Seitdem die Figur der geschwätzigen Oma, Ex-Reichsbahnerin und vierfachen Witwe vor drei Jahren begonnen hat, über den Kurznachrichten-dienst Twitter ihre Sprüche ins Netz zu stellen, sammelt sie mehr und mehr Fans.

33 000 Menschen folgen ihr inzwischen auf Twitter. Und nicht nur das: Gleich ihr erstes Buch schaffte es auf Platz elf der Spiegel-Bestsellerliste, die nächsten zwei landeten in den Top Ten. Jetzt hat Renate ihren Erfolg noch einmal getoppt: Der neue Roman „Wer erbt, muss auch gießen“ (Rowohlt-Verlag) steht auf der frisch veröffentlichten Spiegel-Bestsellerliste der Taschenbücher auf Platz drei. Der Erfinder der Figur, Torsten Rohde aus Genthin, ist ganz baff: „Rang fünf in der Vorwoche fand ich schon sensationell. Dass die Platzierung noch mal steigt, hätte ich nicht im Traum gedacht“, erzählt er.

Grundlage für den Roman bildete, wie schon bei den Vorgängern, eine Sammlung von Renates Twitter-Sprüchen: Zum Beispiel Lästereien über Tochter Kirsten, die auf „Sheng Pfui“ und „Smufies“ schwört. Oder Neues von ihren Freunden („Ilse und Kurt haben schon wieder die Gebisse vertauscht, Ilse klackert und Kurt nuschelt. Dass die das nicht merken?!“). Oder auch Lebensweisheiten à la „Lebe glücklich, lebe froh – im Jenseits gibt‘s kein’ Piccolo!“.

Rohde, der vor seiner Karriere als Twitter-Oma als Controller arbeitete, hat solche Sprüche eingebettet in eine Geschichte zum Thema Nachlass: Mit ihren 82 Jahren – Wer weiß, wie lange sie noch hat? – macht Renate eine finanzielle Bestandsaufnahme. Dabei erfährt sie überraschend: Sie ist reich! Bei der Bank hatte man ihr Geld versehentlich in Aktien angelegt – und die sind kräftig gestiegen. Jetzt kommt die Oma ins Grübeln. Wer soll überhaupt mal was erben? Und was kann sie mit ihrem Geld zu Lebzeiten anstellen?

Um für den Roman zu recherchieren, erzählt Torsten Rohde, hat er sich öfter auf dem Friedhof herumgetrieben. Ab und zu sprach er dort auch mal eine alte Dame an. Aus solchen Gesprächen entstanden dann Renate’sche Formulierungen wie: „Ich schnappe mir die Harke und fahre zum Friedhof, Walter die Haare kämmen.“

Ansonsten, sagt der 42-Jährige, ziehe er aber nicht los zum Omas-Gucken. „Es genügt, im Alltag Augen und Ohren offenzuhalten: im Wartezimmer, beim Friseur, im Supermarkt.“

Inzwischen lässt sich Rohde übrigens vorrangig von Berliner Rentnerinnen inspirieren, denn er ist zum Jahreswechsel in die Hauptstadt gezogen. So hat er nicht nur einen verkehrsgünstigen Startpunkt, um zu Lesungen in ganz Deutschland zu reisen. Auch die Kreativität wird beflügelt, findet er: „In so einer Großstadt kann man nochmal andere Facetten an Senioren beobachten.“ Spannend findet er zum Beispiel die Wilmersdorfer Witwen – dem Klischee zufolge vermögend und sehr konservativ.

Auf den Genthiner Einfluss muss der Autor aber nicht ganz verzichten. Vor ein paar Wochen hatte er ihn wieder in geballter Form: „Ich war beim 80. Geburtstag meiner Oma. Schon nach einer halben Stunde hatte ich Material für vier Bücher.“