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Kim Leine: Grönland lässt ihn nicht los

27.02.2014, 07:57

Kopenhagen - Der dänisch-norwegische Autor Kim Leine erzählt in "Ewigkeitsfjord" vom Scheitern des Pastors Morten Falck als Missionar auf der Polarinsel Grönland vor mehr als 200 Jahren.

Für den historische Roman bekam der 52-Jährige den Nordischen Literaturpreis 2013. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erklärt Leine Motive und Hintergründe für das Buch.

Frage: Was war der Auslöser für dieses Buch über einen dänischen Missionar in Grönland Ende des 18. Jahrhunderts?

Antwort: Vor zehn Jahren habe ich Historisches über grönländische "Propheten" gelesen, die im Buch Maria Magdalena und Habakuk heißen. Ich habe dann historische Fakten mit meiner Fantasie in dichterischer Freiheit zusammengewebt, mich dabei aber immer um möglichst genaue und korrekte Darstellung der physischen Bedingungen in dieser Zeit bemüht. Dabei ist der dänische Pastor mehr in den Vordergrund gerückt, weil die Pastoren damals die einzig akademisch gebildeten Personen in Grönland waren. Ich fand es spannend, die inneren Konflikte zu untersuchen, in die so ein Mensch gerade mit seiner Bildung und Kultur gegenüber der herrschenden Moral gerät.

Frage: Die Hauptperson durchläuft im Buch dieselben Lebensstationen wie ihr Autor: Geboren in Norwegen, dann über Dänemark nach Grönland, und am Ende zurück nach Dänemark. Gibt es weitere autobiografische Bezüge?

Antwort: Der Pastor Falck im Buch durchläuft denselben kreisförmigen Lebensweg wie ich. Dieses Zirkuläre zu beschreiben, war ein Teil des Buchprojektes. Es ist so deprimierend, in einem Kreis festzuhängen. Beim Pastor ging es ja auch um seine Alkoholabhängigkeit in Grönland, wo er doch eigentlich Gutes tun wollte. Er kommt dann nach Dänemark zurück und will doch wieder von vorn anfangen. Es geht ihm um Wiedergeburt und damit Ausbruch aus dem Kreisförmigen. So sollte es auch für mich sein. Aber persönliche Eigenschaften verbinden mich sonst nicht mit der Hauptperson des Romans.

Frage: Im Buch sind unschwer Einflüsse großer Romanautoren mit Klassikerruf wie Herman Melville, Leo Tolstoi, Halldor Laxness und Knut Hamsun zu erkennen. Sehen Sie sich in dieser Tradition mit Ihrem historischen Roman?

Antwort: Alle Namen stimmen, und es muss unbedingt noch, vielleicht vor allen anderen, Gustave Flaubert genannt werden. Aber ich bin auch ein Kind der Moderne und wende deren Stilmittel an. Pastor Falck ist für mich der Prototyp des modernen Menschen in seiner gespaltenen Haltung zu allen möglichen Grundproblemen.

Frage: Das Buch ist den Pionieren der grönländischen Selbstverwaltung gewidmet. Sind Sie für die komplette staatliche Selbstständigkeit und damit auch die komplette Lösung von der früheren Kolonialmacht Dänemark?

Antwort: Ja, völlig klar. Dabei geht es vor allem um die psychologische Seite. Grönländer sind nicht Dänen. Sie haben ihre eigene Identität. Aber es fehlt ihnen die eigene nationale Identität, und das ist ein großes Problem. Dafür braucht man eben auch einen eigenen Außenminister, statt immer nur neben den Dänen mit am Tisch zu sitzen. Dabei gibt es auch viel Liebe in Grönland zu Dänemark, zum Beispiel beim Königshaus. Man sollte es sich vielleicht so wie im Commonwealth machen.

ZUR PERSON: Kim Leine wurde am 28. August 1961 in Norwegen geboren. Er absolvierte eine Lehre zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Später ging er mit seiner Familie nach Grönland und arbeitete dort als Pfleger. Jetzt lebt Leine in Kopenhagen. Er schreibt auf dänisch und übersetzt seine Bücher selbst ins Norwegische. 2011 erschien in Deutschland sein Roman "Die Untreue der Grönländer".

(Kim Leine: Ewigkeitsfjord. Hanser Verlag, München, 640 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-446-24477-1)