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Musik Liedpoet und „Drachentöter“

Widersprüche haben das Leben von Wolf Biermann immer wieder bestimmt. Jetzt wird der berühmte DDR-Dissident 80.

Von Nada Weigelt 13.11.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Sein größtes Geschenk hat Wolf Biermann sich wohl selbst gemacht. Wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag am Dienstag (15. November) erschien seine Autobiografie „Warte nicht auf bessre Zeiten!“ – und katapultierte den Liedermacher und einstigen DDR-Kritiker auf einen Schlag wieder ins wohlige Rampenlicht. Kein Sender, keine Zeitung, kaum eine Talkrunde, die an dieser sehr persönlich gefärbten Lebensgeschichte vorbeikam.

Nun also der runde Geburtstag. Und, seltsamer Zufall, nur einen Tag später die Ausbürgerung aus der DDR vor 40 Jahren. Der unerwartete Widerstand prominenter DDR-Künstler wie Christa Wolf, Stephan Hermlin und Heiner Müller gegen die Verbannung des populären Barden läutete damals den Anfang vom Ende der DDR ein. Biermann wurde zu der historischen Figur, die er heute ist.

Kurz zuvor hatte der wortmächtige Poet sein legendäres Kölner Konzert gegeben. Nach elfjährigem Berufsverbot war ihm von den SED-Oberen überraschend erlaubt worden, am 13. November 1976, dem Geburtstag seines schmerzlich vermissten Vaters, für die IG Metall in der Sporthalle Köln aufzutreten.

Viereinhalb Stunden steht er da vor ausverkauftem Haus und gibt seine ruppigen Spottlieder zum Besten. „Dabei ahnte ich natürlich nicht, dass ich auch den ganzen Abend nur brav „Hänschen klein, ging allein“ hätte singen können“, notiert er in seinen Memoiren. „Die Ausbürgerung war ja längst beschlossen.“

25 Jahre Leben im Arbeiter- und Bauernstaat hatte er zu diesem Zeitpunkt hinter sich. Sein Vater, ein kommunistischer Jude, war von den Nazis im KZ Auschwitz ermordet worden. Die Mutter Emma schickt ihren Sohn mit 16 aus der Heimatstadt Hamburg in die DDR, damit er dort die kommunistischen Ideen seines Vaters umsetzt.

Nach unverhohlener Begeisterung zu Beginn eckt er mit seinen subversiv-poetischen Liedern zunehmend bei den Machthabern an, ehe er 1965 ganz verboten wird. „Du, lass dich nicht verhärten/In dieser harten Zeit/Die all zu hart sind, brechen/Die all zu spitz sind, stechen/Und brechen ab sogleich“, schreibt er 1968 in seinem berühmten Lied „Ermutigung“.

Im eigenen Land darf er keine Zeile mehr veröffentlichen, doch im Westen werden seine Songs so populär, dass sie – heimlich kopiert – massenhaft auch in der DDR kursieren. Vor allem sein Album „Chausseestraße 131“, benannt nach der Adresse seiner verwanzten Wohnung nahe dem Ost-West-Bahnhof Friedrichstraße, wird Kult.

Die Ausbürgerung trifft ihn wie ein Schlag. Es dauert nach eigenem Bekenntnis Jahre, bis er sich im Westen akklimatisiert. Inzwischen glühender Kommunistenhasser, kehrt er in seine Heimatstadt Hamburg zurück, geht mit neuen Songs auf Tournee und mischt sich immer wieder in die deutsch-deutsche Tagespolitik ein.

Schlagzeilen gibt es nochmals, als er 2014 zum 25. Jahr des Mauerfalls in den Bundestag eingeladen ist. In der Gedenkstunde nennt er sich selbst einen „Drachentöter“ und bezeichnet die Abgeordneten der Linkspartei als „Drachenbrut“ – „der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde“. Der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer kritisiert ihn daraufhin als „Wendehals“ und „Giftgnom“.

Auch Biermanns Memoiren jetzt stießen nicht auf ungeteilte Begeisterung. Der Titel müsste eigentlich „Ich Ich Ich!!!“ heißen, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ und warf ihm „Rachsucht des Rechthabers“ vor. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ befand dagegen: „Diese mehr als 500 Seiten sind so außerordentlich wie der Mann, der sie schrieb.“

Zum 80. Geburtstag erscheint unter dem Titel „...paar eckige Runden drehn!“ eine neue CD, auf der Biermann bekannte Gitarrensongs mit dem Jazz seiner Freunde vom Zen­tralQuartett zusammenbringt.

Besonderer Gast ist seine Frau Pamela, die nach zahllosen „Frauengeschichten“ seit mehr 30 Jahren halbwegs Ordnung in sein Leben bringt. Am 18. und am 20. November wird die CD bei Geburtstagskonzerten in Berlin und Hamburg vorgestellt. Sicher sind zumindest auch einige seiner insgesamt zehn Kinder dabei.