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Gericht Prügel oder „nur eine Ohrfeige“?

Ein 52-jähriger Gardeleger soll eine Nachbarin schwer verletzt haben. Doch die Wahrheitsfindung gestaltet sich bisher schwierig.

Von Gesine Biermann 05.02.2016, 02:00

Gardelegen l Hat er seine Nachbarin nun brutal zusammengeschlagen, oder hat er ihr wirklich „nur“ eine Ohrfeige gegeben? Und hat sie ihm vorher tatsächlich ins Genick gehauen und danach auch noch sein Moped umgetreten, oder ist es tatsächlich nur deshalb umgekippt, weil sie sich daran festhalten wollte?

Viele Fragen, die das Schöffengericht in Gardelegen vor wenigen Tagen noch nicht klären konnte. Zu widersprüchlich waren die Angaben der Beteiligten. Und eine Zeugin schien so gar nicht glaubwürdig zu sein. Fünf weitere Zeugen sollen deshalb in der kommenden Woche gehört werden, darunter drei Ärzte und ein Taxifahrer, die sicher Wichtiges zu tun haben, als Licht in einen solchen Fall von Nachbarschaftsstreitereien zu bringen.

Dabei sei es gar nicht um ihn gegangen, sondern eigentlich um seinen Neffen, beteuerte der Angeklagte gegenüber Richter Axel Bormann. Er habe eigentlich nur vermitteln wollen. Sein Neffe nämlich habe ihm mehrfach in den Ohren gelegen und sich bei ihm über diese Nachbarin beschwert. Alle Parteien wohnen nämlich im selben Altneubaublock am Stadtrand von Gardelegen. Und auch etwas anderes verbindet sie: Alle haben Hunde – allerdings sehr unterschiedliche. Und so kam es der Vergangenheit wohl des Öfteren zum Zusammentreffen zwischen einem winzigen Schoßhündchen und einer Bulldogge. Deren Besitzer – besagter Neffe – habe deshalb den Onkel gebeten, die Nachbarin mit dem kleinen Hund nahezulegen, sich von ihm fernzuhalten.

Und genau das habe er dann eines frühen Morgens gegen 4.30 Uhr nach seiner Zeitungsrunde als Zusteller auch getan, gibt der Angeklagte an. Zufällig sei ihm die Nachbarin mit ihrem Hund beim Gassigehen entgegengekommen, „und ich habe mit dem Moped angehalten und sie nur gebeten, meinen Neffen in Ruhe zu lassen.“ Daraufhin habe ihm die Dame spontan das Gehäuse ihrer aufrollbarern Flexleine ins Genick geschlagen. („Noch stundenlang hatte ich Kopfschmerzen danach.“) Deshalb habe er ihr eine Ohrfeige verpasst, die sie zugegebenermaßen zu Fall gebracht habe. „Aber dann ist sie aufgestanden, hat mein Moped umgetreten und ist weggegangen“, berichtet der Angeklagte. Mehr sei nicht passiert.

Das allerdings schildert die Geschädigte kurz darauf komplett anders. Sie spricht von massiven Schlägen und Tritten, noch als sie am Boden gelegen habe. Auch habe sie das Mofa nicht umgetreten, sondern sich daran festhalten wollen, worauf es umfiel. Schließlich beschreibt sie, wie ihr der Nachbar folgte und immer wieder versucht habe „meinen Kopf gegen einen Zaun zu knallen.“ Dabei sei sie dann ohnmächtig geworden.

Dass sie nach einer solchen Misshandlung allerdings erst einmal ihren Hund nach Hause gebracht hatte und dann zurück an den Tatort ging um von dort aus die Polizei zu rufen, kann Richter Axel Bormann irgendwie so gar nicht mit den beschriebenen schweren Verletzungen in Einklang bringen.

Ein Arzt hatte später dann zwar eine Platzwunde am Kopf und eine Schürfwunde an der Hand festgestellt, aber keine weiteren Verletzungen. „Blaue Flecke hatte ich so weiter gar nicht“, gibt die Geschädigte auch selbst zu. Allerdings sei sie danach von ihrer Hausärztin wegen Kopfschmerzen behandelt worden.

Und eben diese Hausärztin, samt Unfallchirurg und Radiologe aus dem Gardeleger Altmark-Klinikum müssen nun in der kommenden Woche zur nächsten Verhandlung kommen. Außerdem der Taxifahrer, der sie aus der Klinik nach Hause fuhr und unterwegs offenbar ihre Hundeleine wiederfand sowie eine alte Dame, die nahe dem Tatort wohnt und zu dieser frühen Morgenstunde die Schreie der Geschädigten gehört haben soll.

Ob es Ende April morgens um 4.30 Uhr schon hell war, oder nicht, wird dann übrigens auch eine Rolle spielen. Das nämlich behauptet die Lebensgefährtin des Angeklagten, die das ganze Szenario hinter einem Busch stehend verfolgt haben will – ohne einzugreifen. Leider passte ihre Schilderung aber überhaupt nicht – und zwar nicht einmal zu der ihres Freundes, den sie mit ihrer Aussage wohl entlasten wollte.