Kirche Abschied vom Domplatz

Vereine und Stadtrat Halberstadt verlieren einen Aktiven. Pfarrer Friedrich Wegner wechselt nach Bad Liebenwerda.

Von Sabine Scholz 05.04.2016, 10:16

Halberstadt. Er ist einer, der oft gute Vergleiche findet. Vielleicht liegt es an seinem Beruf. Als Pfarrer hat Friedrich Wegner viel mit der Bibel zu tun, deren Bücher reich an Gleichnissen sind. Und im Umgang mit Menschen sind Gleichnisse oft hilfreich, um bestimmte Aussagen zu betonen, eigene Ansichten zu verdeutlichen.

Friedrich Wegner verlässt Halberstadt. 16 Jahre lang war er als Pfarrer an der Liebfrauenkirche tätig. Eine lange Zeit, wie er rückblickend sagt. Eine, die geprägt davon war, „das ganz große Rad zu drehen“. Zumal er in einem Alter war, das Kraft und Ausdauer für solche zupackenden Aufgaben bereithält. Das Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“, symbolisiere drei Lebensabschnitte, sagt Wegner. Wenn man sehr jung sei, sei man wie das Wasser, das überall hinfließt, ungestüm, ungebremst. Später sei man wie das Rad, könne kraftvoll Dinge in Bewegung bringen, antreiben, Neues schaffen. „Und wenn man dann älter wird, ist man wie der Stein, der ruhig, aber beständig seine Arbeit leistet, schwerfälliger ist, aber gebraucht wird.“

In Bad Liebenwerda, einem 10 000-Seelen-Ort im Brandenburgischen, wird er ab 1. August eine Pfarrstelle übernehmen. „Endlich mache ich mal nur eines“, sagt er und schmunzelt. Bislang war er immer „halb“. Die Pfarrstelle in Liebfrauen war eine halbe Stelle. Eine zweite halbe Stelle bot ihm die Gefängnisseelsorge und später die Polizeiseelsorge.

„Dankbarkeit ist das bestimmende Gefühl“

So unterschiedliche Anforderungen sind spannend, aber zehren. Zumal wenn man wie Wegner, für das, was man tut, brennt. Dann reicht die Zeit kaum, um alles zu bewältigen. „Aber ich bin dankbar, dass ich immer so tatkräftige Menschen an meiner Seite hatte und habe.“ Überhaupt, er wird nicht müde, sich zu bedanken bei seinen Wegbegleitern, bei Unterstützern, Freunden. „Ohne die vielen Menschen, die mittun und mitgetan haben, hätte ich viele Ideen nicht verwirklichen können“, sagt Wegner.

Und das sind einige. Die Gründung des christlichen Schulvereins zum Beispiel, dem Halberstadt seit 2002 die christliche Grundschule verdankt. Dass es in Langenstein nun bald eine weiterführende christliche Schule geben wird, freut ihn. Es selbst wird deren Wachsen nur aus der Ferne verfolgen. Aber er habe bei diesem Beginn von etwas Neuem erneut die wohltuende Erfahrung gemacht, dass sich andere in den Dienst der Sache stellen, Aufgaben und Risiken übernehmen. Manchmal auch Mitmenschen, von denen man das so nicht erwartet hatte, sagt er. „Dankbarkeit ist das bestimmende Gefühl, wenn ich an die Halberstadt-Zeit denke.“

„Mehr Geduld mit sich selbst zu haben“

16 Jahre wirkte Wegner in Halberstadt. „Wenn Sie die Fotos von damals sehen, lacht ihnen ein Schwarzhaariger entgegen“, erzählt er und grinst. Jetzt ist sein Schopf grau. „Halberstadt ist nicht wiederholbar“, sagt er nachdenklich, hier sei er erwachsen geworden und seine Kinder auch. Mit seiner Frau und seinen vier Kindern hat er 2000 am Domplatz ein Zuhause gefunden. Und eine Nachbarschaft, die eine eingeschworene Gemeinschaft ist, offen, hilfsbereit. Das habe er nicht nur im Januar 2012 nach dem Brand im Pfarrhaus deutlich gespürt.

Der Abschied vom Domplatz fällt ihm nicht leicht, aber leichter als seiner Frau. Er freut sich schon auf die neuen Herausforderungen und darauf, ein anderes Lebenstempo auszuprobieren. „Selbst mit dem Fahrrad ist man ja immer in der Versuchung, noch dieses und jenes schnell zu erledigen.“ Zum Älterwerden gehöre für ihn, mehr Geduld mit sich selbst zu haben, sagt der 55-Jährige. „In Bad Liebenwerda will ich fast alles zu Fuß machen, Tempo rausnehmen. Zumal die Gemeinde dort schon alles hat – Kindergarten, Chor, neues Gemeindezentrum. Das muss ich dort nicht aufbauen.“

Dabei hat er mit dem Bauen Erfahrung. Als er nach Halberstadt kam, war die Liebfrauenkirche noch eine Sanierungsbaustelle. Also der Kirchbau, die Gemeinde hat schon vorher gut funktioniert.

Auf seine Gemeinde ist Friedrich Wegner hörbar stolz. Zumal diese sich in den vergangenen Jahren deutlich verjüngt. Er schätzt die Ideen, die zupackende Art und die Lebensfreude, die in seiner Gemeinde gelebt wird. „Es ist schön, in der Gemeinde wird viel miteinander gefeiert. Das ist ein Lob des Lebens.“ Deshalb hat Wegner mit seinem Presbyterium vereinbart, dass es Ende Juli nicht nur einen Abschiedsgottesdienst geben wird, sondern am Abend zuvor auch ein Fest für alle Freunde und Wegbegleiter.

Aber noch ist es nicht so weit. Der umtriebige, fröhliche Pfarrer fehlt zwar schon im Halberstädter Alltagsbild, aber noch sind die Umzugskisten nicht gepackt. Er nutzt die Chance für eine Seminarzeit in der Schweiz, bevor er den Harz verlässt. Wobei, ganz regelmäßig nach Halberstadt zu kommen, gehört zu den festen Vorhaben für seinen neuen Lebensabschnitt.