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Wahlfälschung Schulz: "Für Aufklärung sorgen"

Am 5. April 2017 wählt der Stendaler CDU-Kreisverband einen neuen Vorsitzenden. Nico Schulz kandidiert und redet Klartext in der Wahlaffäre.

28.03.2017, 23:01

Das Gericht hat geurteilt, Sie waren an den drei letzten Prozesstagen dabei. Wie würden Sie den Satz vervollständigen: Die Wahlfälschung in Stendal ist die Tat eines…

Nico Schulz: …Einzelnen.

Das haben Sie ja als Stendaler CDU immer gesagt. Das Gericht hat etwas Anderes festgestellt. Und zwar, dass da jemand zur Tat angestiftet worden ist. Und Holger Gebhardt hat gesagt, 30 bis 35 Stimmzettel habe er nicht gefälscht.

Die Staatsanwaltschaft hat im Laufe dieses Verfahrens noch zwölf andere Personen beschuldigt. Und gegen alle wurde das Verfahren wieder eingestellt. Ich will nochmal die Staatsanwältin zitieren. Sie hat in ihrem Plädoyer gesagt, dass Holger Gebhardt durch seine Vorwürfe zwölf zu Unrecht Beschuldigte mit hineingezogen hat. Wenn die Staatsanwältin das so sagt, kann ich keine anderen Erkenntnisse haben.

Aber im Spruch des Gerichtes war die Rede von einem Anstifter.

Das hat die Richterin so gesagt, das ist richtig. Und die Frage ist jetzt, wie ermittelt man diesen Anstifter. Bei solchen Vorwürfen ist die Frage, wie kann man es jemandem nachweisen.

Er ist unbekannt geblieben, weil der Angeklagte keinen Namen nennen muss. Wir haben jetzt aber ein Gerichtsurteil, in dem ein unbekannter Christdemokrat der Anstifter zur Wahlfälschung ist. Was machen Sie damit?

Es ist naheliegend, aber letztlich wissen wir nicht, ob es ein Christdemokrat war. Ich weiß nicht, wer alles Zugang zu dem Büro hat. Ich hoffe, dass der Untersuchungsausschuss im Landtag weitere Erkenntnisse zu Tage fördert. Ich kann jetzt noch kein Urteil sprechen.

Welchen Beitrag können Sie als Partei zur rückhaltlosen Aufklärung leisten, die Ihnen wichtig ist und auch vom Landesvorstand eingefordert wurde? Die Person in den eigenen Reihen ist doch sicherlich eine Belastung?

Das ist nicht nur eine Belastung, sondern eine unerträgliche Situation. Es ist schlimm, generell gegenüber den Wählern und auf der anderen Seite für uns als Kreisverband. Die Vorwürfe zerreißen uns innerlich. Jetzt ist es Aufgabe des neuen Kreisvorstandes, auf dessen Wahl ich gedrängt habe und darauf, dass Wolfgang Kühnel nicht wieder als Kreisvorsitzender antritt, für Aufklärung zu sorgen

Wie soll die konkret aussehen?

Ich halte es für eine ganz wichtige Aufgabe, dass der neue Kreisvorstand die in Rede stehenden Personen, also Wolfgang Kühnel und Hardy Peter Güssau, intensiv befragt. Von denen möchte ich Antworten haben. Das war in der Vergangenheit sicherlich nicht so konsequent, weil Wolfgang Kühnel selbst Kreisvorsitzender war. Umso wichtiger ist es, dass er sein Amt abgeben wird.

Warum eigentlich, wenn er sich juristisch nichts hat zu Schulden kommen lassen?

Die juristische Aufarbeitung ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir als Partei einen Anspruch, dass unsere Führungskräfte ein entsprechendes Ansehen und eine entsprechende Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit haben. Und da geht es nicht nur um Schuld oder Unschuld, sondern auch um die moralische Seite.

Hatte Wolfgang Kühnel dieses Ansehen im Oktober vergangenen Jahres denn noch, als er in seinem Amt wiedergewählt wurde?

Zum damaligen Zeitpunkt ja.

Was ist in den fünf Monaten der Auslöser gewesen, wo Sie sagten, das passt nicht mehr zu einem Kreisvorsitzenden der CDU?

Der letztendliche Auslöser war, dass er seine Zusage der lückenlosen Aufklärung nicht eingehalten hat. Mit einer Zeugenaussage hätte er dazu die Gelegenheit gehabt. Dass er die verweigert hat, bedeutete den endgültigen Vertrauensverlust in dieser Sache.

Können Sie sich neben der Befragung auch juristische Schritte gegen den Anstifter wie eine Anzeige gegen Unbekannt vorstellen?

Das muss der neue Vorstand beraten.

Werden Sie sich um das Amt des Kreisvorsitzenden bewerben?

Ich bin von vielen auf Kreis- und Landesebene angesprochen worden, ob ich mir das vorstellen kann. Der bisherige Kreisvorstand hat mich einstimmig vorgeschlagen, und ich bin bereit. Es ist eine hohe Erwartungshaltung da und der will ich mich stellen.

Der Landesvorstand hat gefordert, dass der Wille zur Aufklärung nicht aus dem Druck von Medien und Öffentlichkeit resultieren soll, sondern aus dem Willen der Partei selbst. Das ist ja bisher nicht so gut gelungen. Warum?

Es hängt letztlich an der Frage des Vorsitzenden, der die Themen der Beratungen bestimmt, Termine setzt und auch inhaltlich lenkt. Auch durch seine Berichte beeinflusst er Meinungen. Da gegen ihn ermittelt wurde, fehlte ihm auch die Motivation. Deswegen ist dieser Wechsel, wenn wir wirklich aufklären wollen, unbedingt notwendig gewesen.

Was wird sich denn ändern?

Ich weiß, dass die Erwartung hoch ist, Aufklärung zu betreiben. Ich will dann das für die Partei Mögliche machen. Aber ich weiß heute auch schon, dass nicht alle zufrieden sein werden. Mit Blick auf die Zukunft möchte ich, dass wir als Partei wieder versuchen, politische Themen zu besetzen und eigene Initiativen zu starten. Das hat mir gefehlt. Es ging vielleicht viel zu sehr um gute Wahlergebnisse und Machterhalt. Auch wie Wähler gewonnen wurden, war nicht richtig. Wahlen organisiert man nicht, sondern versucht durch seine Politik zu überzeugen.

Die Kreisgeschäftsstelle wird also nicht wieder zum Umschlagplatz von Briefwahlunterlagen?

Nein, so etwas darf nie wieder passieren. Auch wenn es bis zu vier Unterlagen rechtlich möglich wäre, da sollte man als politische Partei die Finger von lassen.

Können Sie sich andere Listen vorstellen, Unterschriften bei Edeka oder in anderen Kreisen sammeln zu lassen?

Nein, das geht gar nicht. In meiner eigenen politischen Karriere haben wir so nie Stimmen geholt, sondern durch Plakate, Veranstaltungen oder Ähnliches.

Nun haben Sie jemanden nicht ganz Unprominentes in den eigenen Reihen, der bei diesen Listen Türöffner und etwas mehr war, der sich auch erkundigt hat, was denn mit „den Listen für Holger“ ist. Passt das mit dem Neuanfang zusammen?

Das ist eine ganz schwierige Geschichte. Die Staatsanwältin hat ja auch gesagt, dass der Name von Hardy Peter Güssau immer wieder durch die Akten geistert. Aber die Behörden haben nichts Rechtswidriges festgestellt. Wie der Neuanfang aussieht, muss der Kreisparteitag entscheiden. Aber meine Meinung ist, dass ein glaubhafter politischer Neuanfang ohne ihn besser gelingen kann. Mit ihm wäre es eine Belastung, weil ein Neuanfang dann schwerer darzustellen ist. 

Sollte der Stadtvorstand sich auch von ihm als Vorsitzenden trennen?

Ich habe an Hardy Peter Güssau meine Bitte gerichtet, nicht wieder für den Vorstand anzutreten. Was seine eigene Struktur angeht, möchte ich dem Stadtverband keine Empfehlung geben. Das muss die jeweilige Ebene für sich selbst klären.

Ist es glücklich für den Stendaler Ortsverband, einen Vorsitzenden Hardy Peter Güssau zu haben?

Das müssen die Stendaler selber wissen.

Eine letzte Güssau-Frage. Das Verfahren hat aufgezeigt, dass er seine Wahlbenachrichtigungskarte Holger Gebhardt überlassen und nicht selbst gewählt hat. Ist ein solches Verhalten als Berufspolitiker für Sie akzeptabel?

Es ist für mich unverständlich, dass man den Vorgang der Wahl aus der Hand gibt.

Inwiefern konterkariert das, wofür Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind, unter anderem für freie Wahlen?

Generell ist das ein Schlag ins Gesicht aller Bürger, die im Osten Deutschlands für freie Wahlen ohne Bespitzelung, Repressalien und Verfälschung gekämpft haben. Das ist für die CDU eine schwere Bürde und schwierig zu verdauen.

Einen Schlag ins Gesicht gab es im Oktober vergangenen Jahres beim Kreisparteitag von Ihnen für die Medien. Oder wie Sie gesagt haben, „wir hatten es mit politischen Gegnern zu tun, die nicht auf dem Wahlzettel stehen, aber auf anderem bedrucktem Papier.“ Wer ist eigentlich der größere Gegner der CDU – Medien, die über Missstände berichten, oder Mitglieder der CDU, die Dinge tun, die nicht den Werten dieser Partei entsprechen?

Die Medien sind nicht Gegner der CDU, das will ich mal so klarstellen. Ich wollte wachrütteln, weil durch die Skandale, die öffentlich werden, extreme Strömungen immer stärker werden. Das sehen wir auch in anderen Ländern, dass dadurch Meinungs- und Pressefreiheit immer mehr eingeschränkt werden. Vor dem Hintergrund habe ich es auf dem Parteitag sehr überspitzt formuliert. Es ist schade, dass immer nur das Wort der Medien als Totengräber übriggeblieben ist, ich habe sie auch als Wegbereiter bezeichnet. 

Aber die Berichterstattung wurde kritisiert, über Leute in den eigenen Reihen wurde wenig gesprochen. Auch im Oktober vergangenen Jahres war doch bekannt, dass es in der Partei Leute gibt, die sich auf eine Art engagieren, die nicht den Werten dieser Partei entspricht und so für einen Imageverlust sorgen.

Ich habe immer gesagt, dass wir nicht einseitigen Kenntnisständen folgen können, sondern dass ermittelt werden muss. Für mich habe ich eine Wertungsgrundlage, die für eigene Entscheidungen eine Rolle spielt. Und das war zu dem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Aber dann haben wir den Punkt erreicht, an dem ich für mich feststellen konnte, dass es so nicht weitergehen kann.

Das wird ja am 5. April kein einfacher Abend.

Nee (lacht).

Nach langer Zeit kommt mit Holger Stahlknecht wieder jemand aus dem Landesvorstand. Er ist für klare Worte bekannt. Wie wird das ablaufen nach drei Kreisparteitagen, die ohne nennenswerte Diskussionen über die Bühne gegangen sind?

Ich gehe davon aus, dass es eine sehr lebhafte und auch emotionale Diskussion geben wird. Und das ist auch notwendig. Wenn das jetzt wieder so ein harmonischer Parteitag wird, nutzt das keinem. Ich weiß auch, dass es unterschiedliche Wahrnehmungen der Vorgänge in der CDU gibt, es wird kein einhelliges Meinungsbild geben.

Ein Parteitag beginnt üblicherweise mit dem Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden. Rechnen Sie damit, dass Wolfgang Kühnel den halten wird?

Ich gehe nicht davon aus. Das Wesentliche an dem Abend ist aber die Aussprache über die Wahlen. Und die Kandidaten, die sich zur Wahl stellen.

Erwarten Sie, dass sich Wolfgang Kühnel und Hardy Peter Güssau an dem Abend erklären und für die gebotene Aufklärung sorgen?

Ich gehe davon aus, weil der Anlass des Kreisparteitages das Ende des Verfahrens mit den getroffenen Feststellungen ist. Ich erwarte Erklärungen gegenüber der Parteibasis.

Wir haben über die internen Änderungen beim Neuanfang gesprochen. Wie wird die CDU nach außen hin wirken? Öffentliche Veranstaltungen gibt es zumindest in Stendal nicht mehr, der Internetauftrtt ist nicht mehr zeitgemäß, gibt es da auch Ideen?

Wenn ich gewählt werden sollte, möchte ich, dass die CDU aus ihrer Mottenkiste herauskommt und ein frisches Design kriegt. Auch die modernen Formen der Kommunikation sollen genutzt werden, weil sich vieles geändert hat in den letzten 20 Jahren. Da muss die Partei insgesamt ein frischeres Erscheinungsbild haben. Am Anfang steht aber die Frage, wie wir den Neuanfang organisieren.

Werden Sie direkt mit den Wählern zum Thema Aufarbeitung und Aufklärung in Kontakt treten, etwa mit der Einladung zu einem Forum, um ins Gespräch zu kommen?

Das ist schwierig, weil die vielen Fragen, die die Wähler haben, wirklich nur die in der Rede stehenden Personen beantworten können. Wenn ich als Diskussionsteilnehmer Rede und Antwort stehen müsste, könnte ich die Informationsbedürfnisse nicht befriedigen. Deswegen hatte ich die Erwartung, dass sich der Kreisvorsitzende im Zeugenstand und vor den Mitgliedern erklärt. Er hat sich für einen anderen Weg entschieden. Das lässt schon vermuten, dass das eine oder andere Parteimitglied denkt, dass die Wahrheit nicht bis zum Schluss festgestellt wurde. Es wird schwierig, das Vertrauen der Mitglieder wiederzugewinnen.

Wenn Sie gewählt werden sollten, wie wäre Ihr Umgang mit den anderen Parteien?

Ich orientiere mich an meiner Linie als Osterburger Bürgermeister. Die anderen Parteien sehe ich nicht als Gegner, sondern als Mitbewerber, und möchte sie mit ins Boot holen.

Da ist der Kreistag eine wichtige Ebene. Gibt es Überlegungen für den neuen Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Kühnel wird auch dieses Amt niederlegen.

Es gibt schon Überlegungen, ich werde es nicht sein. Wir haben gute Köpfe in der Kreistagsfraktion, aber ich will jetzt noch keine Namen nennen.

Zum Abschluss vervollständigen Sie bitte noch einen Satz. Journalisten sind...

… ein wichtiger Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaates.