Partnerschaft Vom Tempo beeindruckt

Die Städtepartnerschaft zwischen Wernigerode und Hoi An hat an Fahrt aufgenommen. Eine Harzer Delegation ist nach Vietnam gereist.

Von Regina Urbat 05.11.2017, 07:00

Wernigerode/Hoi An l Gemächlich und leiste schnurrt das kompakte grüne Elektrofahrzeug durch Hoi An in Vietnam und bringt eine kleine Wernigeröder Delegation zu verschiedenen Standorten. 30 Elektromobile sind gerade für den innerstädtischen touristischen Transport in der Testphase. Die Insassen: Cary Barner als Vertreterin der Wernigeröder Stadtrats, Katrin Anders, Koordinatorin des Projekts Klimapartnerschaft im Rathaus, Ulrich Eichler als Energie- und Umweltbeauftragter der Stadt und Huong Trute vom Wernigeröder Interkulturellen Netzwerk. Begleitet werden sie von Mitarbeitern aus der Stadtverwaltung Hoi Ans.

Drei bilaterale Treffen werden mit Projektfördergeld des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ermöglicht. Ziel ist die Erarbeitung eines gemeinsamen Handlungsprogramms zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Nach einem Treffen in Wernigerode im Juli fand nun der dritte Arbeitsaustausch in Hoi An statt.

Debütantin war Stadträtin Cary Barner (CDU). Sie setzte sich besonders für die Einbindung und den Austausch von Schülern ein. Mit im Gepäck hatte sie eine Interessenbekundung des Gerhard-Hauptmann-Gymnasiums. „Die Schule hat großes Interesse, sich in die Städte- und Klimapartnerschaft mit einzubringen“, berichtet die ehemalige Leiterin des Stadtelternbeirats. „Als Auftakt wäre ein gemeinsamer Malwettbewerb zur Stadt der Zukunft denkbar.“ Und so stand der Besuch einer Sekundarschule in Hoi An auf dem Programm. Im Kollegium stieß Cary Barner auf großen Zuspruch. „Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt“, so die Wernigeröderin.

Im Juli hatte eine kleine Delegation aus Hoi An Wernigerode besucht. Neben der Erarbeitung der Grundlagen des Handlungsprogramms standen unter anderem Exkursionen zu Themen wie Abfallwirtschaft und erneuerbare Energie auf der Tagesordnung. Nun, drei Monate später, staunten die Wernigeröder, wie schnell die Vietnamesen Anregungen aus dem Harzbesuch in ihrer Heimat vorantreiben. So will die Stadt eine Müllabfuhr nach deutschem Vorbild organisieren. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter. Stadtoberhaupt Nguyen Van Dung plant mit seinem Stadtwerkechef eine Müllentsorgung mit Elektrofahrzeugen.

Exkursionsziele waren Aufforstungsflächen an den Ufern des Flussdeltas, die als Biosphärengebiet anerkannten vorgelagerten Inseln Cu Lao Cham und ein touristisches Projekt zum Anbau von Biogemüse, bei welchem mit gegärtnert werden konnte. Dort traf die Delegation eine Gruppe reisender Bürger aus Wernigerode, die trotz der tropischen Temperaturen kräftig Hand anlegten. Später trafen sich beiden Gruppen bei einem musikalisch-unterhaltsamen Begegnungsabend. Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU), der an der Bürgerreise teilnahm, sprach Grußworte und warb dafür, beim Thema Wirtschaft intensiver zusammenzuarbeiten.

Zudem wurde die Weiterentwicklung des gemeinsamen Handlungsprogramms intensiviert. „Trotz der Sprachbarriere – teilweise übersetzten wir in drei Schritten vom Vietnamesischen über das Englische in Deutsche – haben wir gute Ergebnisse erzielt“, berichtet Katrin Anders. „Das gegenseitige Verständnis wird immer größer, die Arbeitsatmosphäre vertrauter. Wir sind beeindruckt vom Engagement der vietnamesischen Kollegen im Kontext des Klimawandels.“

Die Kernthemen des Handlungspapiers sind Umstellung auf erneuerbare Energien/Energieeffizienz, Abfallbeseitigung und Abfallverringerung, Umwelt- und Bewusstseinsbildung und nachhaltiger Tourismus. Hierzu wurden mögliche Vorhaben entwickelt, beispielsweise der Austausch von Expertise zum Thema Abfallwirtschaft.

Ein konkretes Projekt ist bereits in der Umsetzung. Auf dem Dach der Tourismusorganisation wird mit einem vom Bund finanziell geförderten Projekt eine Photovoltaikanlage installiert. Damit soll die als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannte Altstadt mit Strom versorgt werden. „Wenn alles reibungslos läuft, kann die Anlage im Februar in Betrieb gehen“, sagt Ulrich Eichler. In einem anderen kleineren Projekt dreht sich alles um einen Stoffbeutel. Mit diesem soll für den Verzicht auf Plastiktüten und zweisprachig für die Klimapartnerschaft zwischen Wernigerode und Hoi An geworben werden.

Das Handlungsprogramm wird übrigens im Frühjahr 2018 in Berlin auf einem internationalen Abschlussworkshops mit allen teilnehmenden Kommunen aus Deutschland und Südostasien präsentiert.

Kurz vor der Reise gingen Meldungen über schwere Unwetter in Vietnam auch in Deutschland durch die Presse. Zwischen dem 10. und 14. Oktober wurden über 70 Menschen getötet, als ungewöhnlich starke und lange anhaltende Niederschläge vor allem im Norden und der Mitte Vietnams zu schweren Überschwemmungen und Erdrutschen führten. Die Partnerstadt Hoi An blieb glücklicherweise verschont.

Die Delegation aus Wernigerode erfuhr, dass der historischen Altstadt immer häufiger Überschwemmungen drohen. Besonders drastisch sei die Situation, wenn Starkregen und Taifun zusammen kommen, so Katrin Anders. Das Flussdelta sei deshalb deutlich breiter geworden, der Strand hingegen schmaler.