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Hunde und Katzen locken demente Senioren aus der Reserve Wo Tiere Menschen zum Sprechen bringen

Wo der Mensch gegen Mauern rennt, kann ein Tier das Herz öffnen. Davon
ist die Tierärztin Petra Prange überzeugt. Mit ihren Tieren besucht sie
darum regelmäßig das AWO-Seniorenzentrum am Frauentor.

Von Franziska Werner 24.01.2014, 02:19

Zerbst l Gerda Becker (Name geändert) schläft normalerweise viel. Wie sie die Welt um sich herum wahrnimmt, das kann man nur vermuten. Die Seniorin leidet an Demenz und spricht nur noch selten mit anderen Menschen. Trotzdem ist sie dabei, als Petra Prange mit drei kleinen Hunden und einem Kater zu den Senioren kommt. Die ehrenamtlich engagierte Tierärztin brachte in all den Jahren ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit auch schon allerhand ungewöhnliches Getier mit: "Neben Katzen und Hunden jeden Alters hatten wir schon einen Igel, Tauben und Schildkröten hier".

Igel, Tauben und Schildkröten auf Besuch im Seniorenheim

Davon sprechen die Senioren heute noch oft. Und das, obwohl sie sonst vieles vergessen. Auch darüber, dass einmal ein kleines Kätzchen ausgebüxt ist, das dann alle gemeinsam gesucht haben, wird sich unterhalten, wenn die Tierärztin wieder einmal mit ihren Tieren da ist. "Viele ältere Menschen erinnern sich im Kontakt mit Tieren spontan an Situationen aus der Vergangenheit", erzählt Ergotherapeutin Sylvana Hohenstein. "Manchmal erzählen sie dann auch aus ihrer Kindheit. Zum Beispiel davon, dass sie selbst einen Hund oder eine Katze hatten."

Gerda Becker beobachtet die beiden Yorkshire-Terrier Rudi und Dog beim spielen. Sie besitze selbst einen Hund, wie sie der Tierärztin mitteilt. "Mein Hund heißt Felix", ist sie überzeugt. Seit Petra Prange die Tiere aus ihren Transportkörben geholt hat, wirkt die Seniorin seltsam verändert. Sie scheint sehr aufmerksam und beteiligt am Geschehen. Vor allem die quirlige Jackrussel-Terrier-Dame Jackie zieht die Aufmerksamkeit der elf Frauen und zwei Männer der Runde auf sich. Behutsam setzt Petra Prange Erna Mertes (Name geändert) ihren namenlosen Kater auf den Schoß. "Wie heißt denn die Katze?", fragt Erna.

Katzen ohne Namen leben manchmal länger

"Sie ist namenlos", antwortet die Tierärztin und erklärt, als die Seniorin verdutzt schaut: "Ich hatte nie großes Glück mit Katzen, denen ich Namen gab. Die wurden alle vom Auto erwischt."Die Tiere, die Petra Prange mit ins Seniorenheim nimmt, hat sie oft von Kunden aus ihrer Praxis geliehen. Oder, wie im Fall der Taube, selbst irgendwo aufgelesen und in Pflege genommen. "Wichtig ist, dass die Tiere, die ich mitnehme, ruhige Gemüter haben und weder beißen noch kratzen, wenn man sie einmal falsch anfasst". Der namenlose Kater hat im Seniorenheim am Frauentor schon einmal sein ruhiges Gemüt unter Beweis stellen müssen.

Beim Schmusen mit einer beeinträchtigten Bewohnerin wurde ihm nämlich fast einmal der Garaus gemacht. "Er hat schon ganz schön nach Luft gejapst, aber trotzdem stillgehalten, das fand ich doch sehr beeindruckend", berichtet Ergotherapeutin Sylvana Hohenstein. Das Frauchen befreite ihr Tier schließlich aus der Umklammerung. Glücklicherweise hatte es sich schnell wieder gefangen.

Mit ihren Tieren ins Altenheim kommt Petra Prange schon seit einer halben Ewigkeit. Wahrscheinlich habe sie einmal ein Kunde oder eine Kundin aus ihrer Tierarztpraxis auf den Gedanken gebracht: "Dann habe ich das halt mal ausprobiert und bin dabei geblieben."

Doch welche Motivation verbirgt sich dahinter, einmal im Quartal einen Nachmittag mit fremden alten Menschen zu verbringen? Petra Prange muss überlegen, sagt dann aber überzeugend: "Mir gibt es eine Menge, weil ich sehe, wie die Leute richtig mit dem Herzen bei der Sache sind."

Auch der Ergotherapeutin Hohenstein scheint der Umgang mit den Tieren Spaß zu machen: "Oft habe ich schon überlegt, wie es wäre, wenn wir eine eigene Heim-Katze hätten." Was nicht selbstverständlich, im AWO-Seniorenzentrum aber gestattet ist: "Unseren Bewohnern ist die Tierhaltung grundsätzlich erlaubt", sagt Hohenstein. Wer allerdings Hund, Katze, Vogel oder Maus mit ins Heim nehmen wolle, müsse sein Tier auch selbst versorgen können. "Das ist die Bedingung", sagt Hohenstein.