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Medizin Für und Wider von Gentests

Gentests können Auskunft über Erkrankungsrisiken geben. Humangenetiker der Uniklinik Magdeburg helfen, sich ein Urteil zu bilden.

Von Uwe Seidenfaden 05.12.2016, 00:01

Magdeburg l Wer wünscht sich nicht gelegentlich einen magischen Spiegel, der einen Blick in die eigene Zukunft oder in die der Kinder ermöglicht? Manche Menschen glauben, dass die gesundheitlichen Risiken eines Menschen weitgehend von seinen Genen beeinflusst werden. Doch das ist meist nur die halbe Wahrheit.

Für viele Erkrankungen, vor allem bei den sogenannten Volkskrankheiten, sind genetische Veranlagungen nur ein Teil der Ursache. Auch gesundheitsbewusstes Verhalten beeinflusst das Leben. Allerdings gibt es einige Tausend seltene, „monogenetische“ Erkrankungen, bei denen ein direkter Zusammenhang zwischen einzelnen Genveränderungen und der Entwicklung einer Krankheit besteht. Das gilt nicht nur für viele angeborene Erkrankungen und Behinderungen, sondern auch für einige Krankheiten, die sich erst im Erwachsenenalter zeigen. Zu denen zählen unter anderem verschiedene neurodegenerative Krankheiten wie die Chorea Huntington, erbliche Krebsformen und manche Stoffwechselerkrankungen.

Humangenetische Beratungsstellen, wie das Institut für Humangenetik des Magdeburger Universitätsklinikums, sind Anlaufstellen für alle Personen, die bei sich selbst eine genetische Erkrankung oder eine Veranlagung dafür vermuten. Aber auch für Paare mit Kinderwunsch, bei denen aufgrund der Familienvorgeschichte der Verdacht auf eine vererbbare Genveränderung besteht, die zu einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung bei den Nachkommen führen kann.

Bevor die genetischen Untersuchungen beginnen, beraten Humangenetiker wie Prof. Dr. Martin Zenker, Direktor des Instituts für Humangenetik, individuell über die Möglichkeiten, Art und Aussagekraft eines genetischen Tests sowie über die Konsequenzen, die sich aus dem Untersuchungsresultat ergeben können.

Ein Problem der genetischen Diagnostik ist nämlich, dass viele genetisch bedingte Erkrankungen heute zwar nachweisbar, aber noch nicht gezielt behandelbar sind. Das gilt beispielsweise auch für familiäre Formen von früh beginnenden Demenz-Erkrankungen, bei denen das Wissen um eine genetische Veranlagung dafür dem Betroffenen bisher keine effektiven Maßnahmen der Vorsorge oder frühen Behandlung eröffnet.

Manche Menschen sehen dennoch einen Vorteil darin, sich auf die Zukunft vorbereiten zu können und wichtige Dinge vor dem Krankheitsausbruch zu regeln. Andere wollen sich nicht die Hoffnung nehmen lassen und verzichten auf die Diagnostik. „Beides ist zu akzeptieren“, so Professor Zenker. Die von der Krankenkasse finanzierte genetische Beratung ist stets offen im Ergebnis.

Bei der humangenetischen Beratung zu berücksichtigen ist, dass bei manchen genetischen Veranlagungen auch nur Wahrscheinlichkeiten eines Krankheitsausbruchs anzugeben sind. Das ist beispielsweise bei einigen erblichen Krebsformen der Fall, die durch familiär gehäuftes Auftreten von Krebserkrankungen in relativ jungen Jahren gekennzeichnet sind. Wann und ob überhaupt eine Person, die eine solche Veranlagung in sich trägt, an Krebs erkranken wird, lässt sich individuell nicht sicher vorhersagen. Wenn eine ursächliche Veränderung in bestimmten Krebs-Risikogenen bei einem Betroffenen in der Familie nachgewiesen wurde, stellt sich oft die Frage, ob auch andere bisher gesunde Familienangehörige das erbliche Risiko haben und wenn ja, welche Konsequenzen das hat. Gibt es Möglichkeiten der Vorbeugung? Kommen Früherkennungsuntersuchungen in Betracht?

„Je weiter das Wissen in der Humangenetik und die diagnostischen Möglichkeiten voranschreiten, umso wichtiger wird die medizinische Beratung, um Menschen über das Für und Wider einer genetischen Untersuchung zuvor aufzuklären“, so Professor Zenker. Schließlich kann nur ein gut informierter Mensch sich der Konsequenzen einer genetischen Diagnostik für seine Zukunft bewusst werden. Dazu zählt beispielsweise auch, dass er oder sie beim Abschluss einer Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung bei höheren Versicherungsleistungen verpflichtet ist, bereits vorhandene humangenetische Untersuchungsergebnisse anzugeben. Andererseits kann aber niemand gegen seinen Willen zu einer genetischen Untersuchung gezwungen werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf Wissen aber auch auf Nichtwissen seines genetischen Erkrankungsrisikos.