1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Rathaus in Stendal übersah etliche Hinweise

Wahlfälschung  Rathaus in Stendal übersah etliche Hinweise

Die Wahl-Sachbearbeiterin Maria-Luise K. will lange eine Fälschung von Stimmen nicht für möglich gehalten haben.

25.06.2017, 23:01

Magdeburg/Stendal l Dass man für maximal vier Personen Briefwahlunterlagen abholen kann, gilt für Bundes-, Europa- und Landtagswahlen schon länger. Im Mai 2014 gab es diese Regelung in Sachsen-Anhalt erstmals auch für die Kommunalwahl. „Wir haben das schlichtweg übersehen“, gestand die zuständige Sachbearbeiterin im Stendaler Rathaus, Maria-Luise K., vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt zur Stendaler Briefwahlfälschung ein. Ein Fehler, der die Fälschungen erst möglich machte.

„Aber es gab doch extra einen Runderlass des Innenministeriums“, hakte SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben nach. „Da guckt man nicht noch einmal in den Durchführungserlass“, antwortete K. und warf so ein bezeichnendes Licht auf die Stendaler Verwaltungspraxis.

„Zusätzlich gab es doch auch eine Informationsveranstaltung des Landkreises, auf der diese Regelung ausdrücklich angesprochen worden sein soll“, bemerkte Wulf Gallert (Linke) ungläubig und schob nach, dass im Land nur in der größten Stadt der Altmark dieser Fehler passiert sei.

Da ging die Sachbearbeiterin in die Offensive: „Glauben Sie im Ernst, dass wir die Einzigen waren?“ Doch Belege dafür konnte sie nicht präsentieren. „Erklären Sie hier bitte nur, was Sie auch belegen können“, fing sie sich dafür einen Rüffel des AfD-Abgeordneten Daniel Roi ein.

Vielmehr musste Maria-Luise K. danach einräumen, dass eine Vielzahl von Indizien für Ungereimtheiten im Stendaler Rathaus nicht oder nicht ausreichend beachtet wurde. So wollten zehn Wahlberechtigte am Wahltag im Wahllokal wählen. Im Wählerverzeichnis waren sie jedoch bereits als Briefwähler registriert gewesen. „Ich bin da von einem technischen Fehler ausgegangen“, sagte die 61-Jährige, die seit fast 20 Jahren im Rathaus für die Organisation von Wahlen zuständig ist. „Das war schon eine ungewöhnlich hohe Zahl“, gab sie allerdings zu.

Erst kurz vor der Sitzung des Wahlausschusses am 3. Juni 2014 fiel der kapitale Fehler auf, zu viele Briefwahlunterlagen ausgegeben zu haben. „Wie konnte die Verwaltung da noch die Empfehlung geben, die Wahl für gültig zu erklären?“, fragte Roi.

Eine Manipulation habe sie ausgeschlossen und an die Richtigkeit des Wahlergebnisses geglaubt. „Wir wollten das anschließend in Ruhe prüfen“, erklärte K. dem Ausschuss. Die Entscheidung habe ohnehin bei Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt (CDU) gelegen. Der wiederum erwähnte den Fehler im Wahlausschuss nicht.

Danach kam es dann ganz anders. „Wir sind doch gar nicht mehr zum Prüfen gekommen. Es hat uns dann doch alles überrollt“, räumte sie ein.

Ein solches Ausmaß hat sich auch das damalige Wahlausschuss-Mitglied Wilfried W. nicht vorstellen können. „Ich bin da blauäugig und unwissend hingegangen“, bedauerte der 80-Jährige vor den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses. „Ich hatte Vertrauen zu Herrn Kleefeldt, aber man hätte nochmal jedes Detail nachprüfen müssen. Da bin ich damals nicht rangegangen“, bereut er heute.

Die Verwicklungen im Wahlskandal bei der Kommunalwahl in Stendal langten bis in die höchste Landespolitik hinauf. Das führte dazu, dass die Wahl wiederholt werden musste, politisch Verantwortliche ihre Ämter verloren und ein Stadtrat zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.