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Wahlskandal Stendaler CDU-Spitzen in Erklärungsnot

Im Untersuchungsausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt zur Stendaler Wahlfälschung bringen erste Zeugenaussagen überraschende Einblicke.

23.06.2017, 23:01

Stendal/Magdeburg l Nicht mit der Aufarbeitung der Fälschungen des ehemaligen Stendaler CDU-Stadtrates Holger Gebhardt stiegen die Ausschussmitglieder in ihre Arbeit ein. Vielmehr wollen sie zunächst untersuchen, wie es dazu kommen konnte, dass im Mai 2014 von der Stendaler Stadtverwaltung so massiv gegen die Regelung verstoßen wurde, dass nicht mehr als vier Biefwahlunterlagen pro Bevollmächtigten ausgegeben werden dürfen. Dies hatte die Fälschung von fast 1000 Stimmen erst möglich gemacht.

Dörte H. erklärte als erste Zeugin, dass sie die so genannte Vierer-Regelung durchaus kannte. „Das habe ich über die CDU erfahren“, betonte die erfahrene Kommunalpolitikerin.

Auf Nachfrage ergänzte die resolute 75-Jährige, dass sie sich darüber mit der Mitarbeiterin der CDU-Kreisgeschäftsstelle, Angela B. unterhalten und diese sie darüber weit vor dem Wahltermin informiert habe.

Pikant: Jene Angela B., die auch Mitarbeiterin des Stendaler CDU-Landtagsabgeordneten Hardy Peter Güssau ist, suchte im Mai 2014 in zwei Fällen das Rathaus auf, um dort 25 Vollmachten einzureichen und die Wahlunterlagen abzuholen. Von der Stendaler CDU-Kreisgeschäftsstelle waren insgesamt mehr als 70 Vollmachten im Rathaus eingelöst worden.

Als Dörte H. im Juni 2014 von dem hohen Briefwahlanteil ‑ 82,3 Prozent seiner 837 Stimmen ‑ erfahren hatte, habe sie „sofort gedacht, dass das nicht mit rechten Dingen zugegangen sei“, erklärte sie: „Normal geht das ja nicht.“

Dörte H. war damals von der CDU in den Wahlausschuss entsandt worden. Als dieser am 3. Juni 2014 das Ergebnis prüfen soll, geht der damalige Stadtwahlleiter, Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt (CDU) nicht näher auf die Vierer-Regelung und auch nicht auf Holger Gebhardts hohes Briefwahlergebnis näher ein.

Seit Freitagmittag ist indes klar, dass wenige Minuten zuvor bei der Vorbereitung dieser Sitzung eine Bombe platzte. Die für die Wahlorganisation zuständige Rathaus-Mitarbeiterin Maria-Luise K. räumte vor dem Ausschuss ein, dass sie erst dann erfahren habe, dass die Vierer-Regelung auch für diese Kommunalwahl gilt. Doch weder Kleefeldt noch K. gehen darauf danach vor dem Wahlausschuss aus.

Dabei hatte K. in mindestens einem Fall einer Mitarbeiterin grünes Licht gegeben, Wahlunterlagen für weit mehr als vier Vollmachten ausgeben zu dürfen. Nach ihrer Aussage habe sich dafür bei ihrem Kollegen René H. beim Landkreis rückversichert. Laut Landkreis hatte H. allerdings die Vierer-Regelung bei einer Konferenz im März 2014 erläutert. Dabei war auch Maria-Luise K. Doch davon will sie nichts mitbekommen haben.

René H. wird jetzt nach der Sommerpause geladen.