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Fußball DFB-Lobbyarbeit mit Beigeschmack

Der DFB würde in der 3. Liga gerne weiterspielen lassen und versucht, im Hintergrund die Weichen zu stellen. Auf Kosten der Transparenz.

Von Manuel Holscher 25.04.2020, 01:01

Magdeburg/Frankfurt/Main l Die Deutsche Fußball Liga (DFL) gab sich am Donnerstag spendabel. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert verkündete, dass 25 Vereine der 3. Liga und der Frauen-Bundesliga rund 7,5 Millionen Euro Soforthilfe erhalten sollen, um in der Corona-Krise Kosten ausgleichen zu können. Ausgenommen sind die DFL-Mitglieder, die auch in der 3. Liga und Frauen-Bundesliga Ableger haben. Es sollte eine Geste der Solidarität sein.

Klar ist allerdings: Diese Summe hilft kaum weiter. Schließlich bekommt jeder Verein nur rund 300 000 Euro. Das Geld wird nämlich allein für die hygienischen Anforderungen und die Organisation von Geisterspielen sowie regelmäßigen Corona-Tests verbraucht.

Noch schwerer wiegen die drohenden Verluste in Millionenhöhe für Drittliga-Vereine wegen ausbleibender Ticketverkäufe und drohender Regressforderungen von Sponsoren. Beim 1. FC Magdeburg könnte sich das Minus bei einer Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen auf 2,6 Millionen Euro belaufen. Bei einem Saisonabbruch hingegen sei der Verlust definitiv geringer, wie FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik versichert. Denn dann könnte der Club weiterhin Kurzarbeit beantragen und würde pro ausgefallenem Heimspiel eine fünfstellige Summe sparen. „Ganz zu schweigen von der großen Gefahr, dass sich Mitarbeiter bei der Fortsetzung des Spielbetriebs infizieren können. Wir haben als Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht für unsere Arbeitnehmer“, betont er.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich offenbar trotzdem festgelegt: Die Drittligasaison soll unbedingt zu Ende gespielt werden. Der Verband folgt den Vorgaben und Ansagen der DFL, übernimmt die Konzepte. Dabei wird aber offenbar vergessen, dass es große Unterschiede gibt. Die Erst- und Zweitligisten können die zusätzlich anfallenden Kosten auffangen – dank der TV-Gelder in zweistelliger Millionenhöhe. Von solchen Zahlen können die Drittligisten, die lediglich jeweils 1,3 Millionen Euro Fernsehgeld pro Saison erhalten, hingegen nur träumen.

Doch der DFB scheint trotzdem entschlossen zu sein, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Und bedient sich hierbei einer gezielten Lobbyarbeit. Diese hatte in den vergangenen Wochen allerdings immer wieder einen faden Beigeschmack. So wurde vor zwei Wochen die Meldung verbreitet, dass sich bei einer internen Abstimmung angeblich 13 Drittligavereine für Geisterspiele ausgesprochen hätten. Diese Zustimmung wurde aber nie belegt. Im Gegenteil: Der öffentliche Streit von Befürwortern und Gegnern der Geisterspiele zeigt deutlich, dass die 3. Liga gespalten ist wie nie.

Der DFB versucht hingegen, immer wieder einen anderen Eindruck zu erwecken. Nach einer Video-Konferenz am vergangenen Dienstag gab der Verband ein Schreiben heraus, in dem stand, dass sich alle Vereine auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt hätten. Die Wahrheit hinter der angeblichen Harmonie: Nach Volksstimme-Informationen werden Kritiker, die öffentlich die DFL- und auch die DFB-Pläne hinterfragen, gezielt angesprochen und zur Ruhe ermahnt.

Der DFB tüftelt bereits seit Wochen daran, die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Drittliga-Saison zu schaffen, notfalls auch über das eigentliche Saisonende am 30. Juni hinaus. So wurde kurzerhand die Änderung der Spielordnung beschlossen, obwohl die überwiegende Mehrheit der Drittligisten sich klar für ein Saisonende bis zum 30. Juni positioniert hat. Es war eine einsame Entscheidung des DFB, wie auch folgende Aussage von Kallnik belegt: „Als Mitglied des Drittliga-Ausschusses war ich überrascht.“

Auf Volksstimme-Nachfrage wollten sich DFB-Vertreter zu diesen Themen nicht äußern – weder der für die 3. Liga zuständige Vizepräsident Peter Frymuth, noch Präsidiums-Kollege Rainer Koch, der auf Frymuth verwies.

Sportjurist Rainer Cherkeh ist über das Verhalten des DFB verwundert. Cherkeh begleitete zuletzt die Handball-Bundesliga (HBL) auf dem Weg zu einem Saisonabbruch, der am Dienstag offiziell verkündet wurde. „Die HBL hat bereits Anfang April über die Medien offen kommuniziert, dass es im Falle eines Saisonabbruchs keine Absteiger, sondern lediglich Aufsteiger in die Saison 2020/21 geben wird“, sagt Cherkeh. Und: „Das war wichtig für die Planungssicherheit der HBL-Klubs, die über den späteren Abbruch ja erst noch zu entscheiden hatten. Auch für die Fußball-Drittligisten sollten die wesentlichen sportlichen Konsequenzen vor einem etwaigen Abbruch der Saison klar und transparent sein. Das ist es aber bis heute nicht.“

Am Dienstag präsentierte der DFB intern zwar mögliche Abbruch-Szenarien. Konkreter wurde es aber nicht. „Jetzt ist wichtig, dass nach sorgfältiger Abwägung zeitnah den Vereinen das vom DFB favorisierte Szenario zur Einstellung des Spielbetriebs vorgestellt wird“, fordert Kallnik.

Immerhin: Gestern sprach sich der DFB bei einer Präsidiumssitzung dafür aus, einen außerordentlichen Bundestag einzuberufen. Wann dieser stattfinden soll und ob über einen Abbruch abgestimmt wird, ist aber noch offen.

Normalerweise dauert es bis zu sechs Wochen, bis ein außerordentlicher Bundestag stattfindet. In der Corona-Krise kann dieser Vorgang aber beschleunigt werden. „Eine erforderliche Beschlussfassung kann aufgrund der Hilfestellungen, die das Covid-19-Abmilderungsgesetz Vereinen gibt, schnell und ohne relevanten Aufwand umgesetzt werden“, sagt Cherkeh. Dieses Abmilderungsgesetz, das auch der HBL beim Beschluss des Saisonabbruchs geholfen hat, ermöglicht, dass ein außerordentlicher DFB-Bundestag virtuell durchgeführt werden kann. Eine Beschlussfassung kann sogar durch eine Stimmabgabe per E-Mail im Umlaufverfahren erfolgen – also ohne Einberufung eines außerordentlichen Bundestages. „Damit könnte nun genau wie auch in der Handball-Bundesliga die sofortige Einstellung des Spielbetriebs innerhalb weniger Tage möglich sein“, so Kallnik.

Sollte sich der DFB letztendlich doch für eine Fortsetzung der Drittligasaison entscheiden, bleibt die Frage nach einer sportlich fairen Lösung. Ein Vorschlag sieht vor, dass Aufsteiger ausgespielt werden sollen, es aber keine Absteiger gibt. Dieses Szenario stellt Cherkeh aber infrage. „Das ist sehr fragwürdig und auch aus Rechtsgründen bedenklich“, sagt er. „Das könnte zu einer Dysbalance der Liga führen und den Wettbewerb unzulässig verzerren.“ Meinung

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