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Fußball FCM und Eintracht in aller Freundschaft

Warum die Rivalen vom 1. FC Magdeburg und von Eintracht Braunschweig einen respektvollen Umgang pflegen, haben uns zwei Fans erklärt.

Von Bernd Kaufholz 20.07.2019, 01:01

Magdeburg l Als erstes legt Ralf Kirchner ein Programmheft auf den Redaktionstisch: „Kannst Du behalten“, sagt er. Ein Blick darauf verrät: „25. Mai 1977, 19 Uhr, Ernst-Grube-Stadion 1. FC Magdeburg gegen Eintracht Braunschweig“.

„Das Spiel ging damals 1:2 für uns verloren“, sagt der 58-Jährige aus dem Block U des Magdeburger Stadions. „Aber heute ist ein Unentschieden drin“, ist er sich sicher.

Braunschweig gegen Magdeburg hat für den „Blauweißen“ eine zusätzliche Bedeutung. Er arbeitet in einer Druckerei in der „Löwenstadt“. „Und da kann ich mir als bekennender Clubfan einiges anhören“, lacht er. „Da wird hin und her geplänkelt. Aber ich schieße natürlich auch zurück, und ich antworte dann schon mal auf die Unkenrufe der Eintrachtler: Die 4. Liga ruft. Hört ihr das denn nicht?“

Eine offizielle Fanfreundschaft gebe es nicht, so Kirchner. „Die haben wir ja mit KS Hutnik Kraków. Die Beziehungen zu Braunschweig laufen mehr über die private Schiene.“

Viele Freunde unter den Fans vom Magdeburger Block U hätten sich die Eintracht-Anhänger allerdings mit der Aktion beim Spiel zwischen Braunschweig und Halle gemacht. „Wir vom Block U standen im Braunschweiger Block und die Jungs haben uns erlaubt, das Plakat zu zeigen mit der Aufschrift ,Hannes unvergessen‘.“

Kirchner freut sich auf das Spiel am Sonnabend. Und er ist vorsichtig optimistisch: „Spielerisch hat Braunschweig bestimmt einen Vorsprung auf uns. Das ist aber kein Wunder, denn die Neuen beim FCM müssen sich ja erst mal zusammenfinden. Aber ich habe bei den letzten beiden Testspielen auch schon gute Ansätze gesehen.“ Das große Plus für den Club sei, dass die Elf „die blau-weißen Fans im Rücken habt“.

Der „Ultra“ wurde als Kind vom Vater zum Fußball mitgenommen. „Das war wohl so um 1973, als ich das erste Mal mitging.“ Hinzu sei gekommen, dass einer seiner Spielkameraden aus der Nachbarstraße in Magdeburg-Neustadt Dirk Stahmann (später DDR-Nationalkicker und 1978 bis 1994 Spieler beim 1. FCM) war. „Na klar haben wir auf dem Spielplatz und der Straße gebolzt.“

Nachdem er 14 Jahre alt war, sei er alleine ins Grube-Stadion gegangen und habe seitdem kaum ein Spiel seiner Mannschaft versäumt.

„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die Braunschweiger Fans beim Freundschaftsspiel 1977 ungläubig aus der Wäsche geguckt haben, als wir ihnen das V-Zeichen (für Victory/Sieg) gezeigt haben. So nach dem Motto: Ach die im Osten kennen das Zeichen auch.“

Zu den Braunschweigern habe es schon damals eine „emotionale Nähe“ gegeben, sagt der 58-Jährige. „Anders, als zu Dynamo Dresden, zu jener Mannschaft, mit der uns bis heute eine innige Fan-Feindschaft verbindet.“

Aber in Sachen Feinbild stehe der Club nicht alleine da. „In der Braunschweiger Druckerei, in der ich arbeite, werden die Maschinen mit 10.000 Bögen pro Stunde angefahren. Manchmal auch mit 9500 – aber niiiiiemals mit 9600.“ (Zur Erklärung: Eine tiefe Fan-Feindschaft der Braunschweiger Fans richtet sich gegen Hannover 96). Kirchner gehört zum Fanclub „Blau-Weiß-Verrückte“. Die rund 20 Mitglieder treffen sich in der „Texas-Kiste“ in Magdeburg-Nordwest. Nach der neuen Saison, so hofft er, wird der Club im ersten Tabellendrittel, „so sechster, siebter Platz“, stehen. „Und Braunschweig ist für mich einer von drei Aufstiegskandidaten.“

„Ein 1:1 würde beiden Mannschaften wohl gerecht werden“, sagt Robin Koppelmann, seit 21 Jahren Eintracht-Fan bis unter die Haarwurzeln. „Magdeburg und Braunschweig traue ich in dieser Saison einen Platz im oberen Drittel zu.“ Nach den Pleiten und unruhigen Zeiten bei Eintracht wolle er nicht mit einem Aufstiegsplatz liebäugeln, wiegelt er ab.

Der 29-Jährige ist ein sogenannter Allesfahrer. Will heißen, er fährt zu jedem Spiel seiner Blau-Gelben, auch zu den Matchs der Nationalmannschaft und selbst bei Ligaspielen europäischer Teams ist er häufig live dabei. Gerade kommt er von einem Spiel in Schweden zurück und auch für den heutigen Sonnabend in Magdeburg hat er schon einen festen Plan. „Vor dem Spiel Magdeburg–Braunschweig sehe ich mir das Testspiel Fortuna Magdeburg gegen MSC Preußen an. Dann geht es in die MDCC-Arena.“

Das Verhältnis zwischen den Ultras von FCM und Eintracht Braunschweig charakterisiert Koppelmann mit „respektvoll und von Sympathie gekennzeichnet. Im Betrieb würde man es als kollegial bezeichnen.“ Vieles in den Vereins-Vitas hätten die Clubs gemeinsam und beide Fanszenen seien „enorm leidensfähig“, blickt er auf die Nackenschläge, die Braunschweig und Magdeburg schon zu verkraften hatten. „Basisnähe, tiefe Wurzeln in der Region und die Philosophie, mit einfachen Mitteln einen Profi­club erfolgreich zu führen.“

Wie gut das Verhältnis sei, verrate auch die Tatsache, wie Braunschweig mit dem tragischen Tod des FCM-Fans Hannes umgegangen sei. „Unsere ,Blau-Gelbe-Hilfe‘ hat gesammelt und vor drei Jahren 1967 Euro (1967 war das Meisterschaftsjahr von Eintracht) an die Magdeburger übergeben.“

Das erste Punktspiel Braunschweigs, das er gesehen habe, sei gegen Lübeck in der Regionalliga Nord gewesen. „2:2“. Das habe ihn „mit dem Fußball-Virus infiziert“.

„Mich haben damals immer Bekannte meiner Eltern mitgenommen. Wenn die mal wieder zu uns zum Kaffeetrinken gekommen sind, wusste ich: Aha, heute geht es wieder zum Stadion.“ Mit zwölf Jahren habe er die erste Dauerkarte gekauft. Heute gehört Koppelmann zur 15-Mann-Fangruppe „Baller-Bus“.

Der 29-Jährige erklärt: „Der Name hat sich ergeben, weil wir mit unserem Leih-Bus die Autobahnen langballern, wenn wir zu Auswärtsspielen fahren.“

Die Sympathie für den 1. FC Magdeburg sei einmal auf die Probe gestellt worden, erinnert sich Koppelmann. „Das war am 32. Spieltag der Regionalliga Nord am 15. Mai 2011. Magdeburg hat gegen Braunschweig II gespielt und bei einem Sieg hätten wir die Klasse gehalten.“ Die Braunschweiger hätten auch bis zur 81. Minute geführt. „Dann der Magdeburger Doppelschlag und das 3:2. Wir stiegen in die Fünftklassigkeit ab.“ Doch dieser K.–o. vor acht Jahren sei inzwischen vergessen.

Obwohl mit Herz und Seele Südkurve-Fan, kennt er die Stadien in Magdeburg gut. „Das alte, kultige Ernst-Grube-Stadion genauso wie den Ausweichplatz, das Germerstadion mit überschaubarer Zuschauerkulisse, und die MDDC-Arena.“

Anders als der 1. FC Magdeburg hat Eintracht ein Maskottchen. „Allerdings hat der Löwe Innenraumverbot fürs Stadion“, schmunzelt Koppelmann: „Unsere ehemalige Vereinssprecherin hatte gemeint, dass wir unbedingt ein Maskottchen brauchen. Angelehnt an das Braunschweiger Stadtwappen sollte es ein Löwe werden. Aber unsere traditionsbewussten Ultras waren absolut dagegen. Der Verein habe nie ein Maskottchen gehabt, und er brauche auch keins.“

Leo wurde trotzdem geboren, aber nur für die kleinen Kinder in der Kinderbetreung am Stadion.