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Fall Hoeneß: Justiz dementiert Bericht über Steuer-CD

28.04.2013, 14:09

Berlin - Nach dem verhängnisvollsten Eigentor seiner Karriere gerät Bayern-Präsident Uli Hoeneß immer stärker in die Bredouille.

Die Ermittlungsbehörden dementierten zwar einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus", der Name des 61-Jährigen tauche auf einer Steuer-CD auf, die das Land Nordrhein-Westfalen im August 2012 angekauft hatte - trotzdem blieb die Steueraffäre Hoeneß in den Schlagzeilen. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger empfahl seinem langjährigen Widersacher eine freiwillige Auszeit nach dem Champions-League-Finale am 25. Mai in London. Einige Mitglieder des neunköpfigen Bayern-Aufsichtsrats wollen den Vereinspatron nach dpa-Informationen überzeugen, sein Amt zumindest ruhen zu lassen.

Die Wirtschaftsbosse befürchten, die Steueraffäre des angeschlagenen Aufsichtsratschefs könnte bald zu ihrem eigenen Problem werden und wollen auf Drängen von Aktionärsschützern mögliche Imageschäden von ihren Konzernen fernhalten. Hoeneß selbst widersprach allerdings Berichten, die nächste Aufsichtsratssitzung sei bereits für Montag geplant. "Das ist totaler Blödsinn. Die nächste Aufsichtsratssitzung findet wie geplant am 6. Mai statt, das steht schon seit vorigem November fest - und bis dahin passiert überhaupt nichts", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" Hoeneß in ihrer Montagausgabe.

Drei Tage vor Bayerns Halbfinal-Rückspiel in der Champions League beim FC Barcelona kam der neue "Focus"-Bericht für Hoeneß zur Unzeit. Das Nachrichtenmagazin hatte berichtet, die Bochumer Ermittler hätten Hoeneß-Daten von der Steuer-CD an die Staatsanwaltschaft in München weitergeleitet, die bayerische Justiz sei somit bereits im vergangenen Sommer informiert gewesen. "Das trifft nicht zu. Auf der Steuer-CD, die die Staatsanwaltschaft Bochum bearbeitet, findet sich der Name Hoeneß nicht", erklärte die Staatsanwaltschaft Bochum auf dpa-Anfrage.

Auch die Staatsanwaltschaft München II stellte in einer Pressemitteilung klar: "Es trifft nicht zu, dass die Staatsanwaltschaften in München im Sommer 2012 eine Steuer-CD mit den Daten von Herrn Hoeneß erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft München II wurde erst im Januar 2013 von der Selbstanzeige \'Hoeneß\' unterrichtet." Das Ermittlungsverfahren gegen Hoeneß habe man "aufgrund der Selbstanzeige 2013 eingeleitet", sagte der Münchner Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich der dpa.

Der deutsche Fußball-Rekordmeister kommentierte auch die jüngsten Entwicklungen nicht und stärkte seinem Präsidenten weiter demonstrativ den Rücken. Sportvorstand Matthias Sammer betonte am Samstag nach dem 1:0 gegen den SC Freiburg, Hoeneß mache derzeit einen guten Eindruck, trotz aller Angriffe und Spekulationen. "Ich werde immer an seiner Seite sein. Dementsprechend hoffe ich, dass das andere gut geklärt wird. Dazu äußern wir uns nicht. Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt. Er wird sich auf mich verlassen können, ganz klar", so Sammer. Wie bei der 4:0-Hinspiel-Gala gegen Barcelona soll Hoeneß nach Club-Mitteilung auch beim Rückspiel am Mittwoch im Stadion Camp Nou wieder auf der Tribüne sitzen - und zwar in seinen Funktionen als Aufsichtsratschef und Präsident.

"Bis zum Finale oder bis zum Empfang am Tag danach sollte er Bayern-Präsident bleiben. Dann sollte er klug sein", sagte Zwanziger beim Pay-Sender Sky und sprach von einem "Verhalten, das man auch nicht bagatellisieren darf. Das ist nicht nur ein Fehler, das ist schon eine kriminelle Handlung." Der ehemalige Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hofft auf Einsicht bei Hoeneß, dass "dieses Verhalten so nicht entschuldbar ist".

Die prominenten Mitglieder des Bayern-Kontrollgremiums haben sich in der brisanten Causa bislang dagegen sehr zurückhaltend präsentiert. Keiner scheint als Königsmörder dastehen zu wollen. Nur Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler äußerte sich öffentlich vorsichtig kritisch. "Audi ist der Überzeugung, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg nur sichergestellt werden kann, wenn Regeln und Normen konsequent befolgt werden. Wir stehen für ein achtbares, ehrliches und regelkonformes Verhalten im Geschäftsalltag", ließ Stadler nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" über einen Sprecher mitteilen.

Bei der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums dürfte der Fall Hoeneß und die weitere Vorgehensweise diskutiert werden, auch wenn Volkswagen-Chef Martin Winterkorn in einem Interview des Österreichischen Rundfunks (ORF) sagte: "Ich glaube, wir sollten diese Themen momentan nicht diskutieren."

VW-Tochter Audi und Adidas sind mit jeweils 9,1 Prozent an der FC Bayern München AG beteiligt. Laut Statut würde bei einem Rückzug von Hoeneß einer seiner beiden Stellvertreter als kommissarischer Aufsichtsratschef nachrücken: Das wären Stadler oder Adidas-Boss Herbert Hainer. Auch Helmut Markwort, Herausgeber des "Focus", sitzt in dem Gremium.

Die Mehrheit der Deutschen hat sich längst deutlich von Hoeneß distanziert. In einer für "Focus" erhobenen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid ist "Mister Bayern" für 62 Prozent der Bundesbürger kein Vorbild mehr. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte eine lückenlose Aufklärung - ohne Vorverurteilung. "Es darf nichts unter den Tisch gekehrt werden, aber wir dürfen auch niemanden vorschnell als Menschen fertigmachen", sagte der CSU-Chef dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" und ging damit auch auf Distanz zu Kanzlerin Angela Merkel, die sich in einer ersten Reaktion persönlich enttäuscht von Hoeneß gezeigt hatte: "Da hat jeder seine eigene Maxime, und das ist auch richtig so", meinte Seehofer. "Ich folge der Bibel, wonach jeder den anderen so behandeln sollte, wie er selbst behandelt werden möchte."