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Überqualifiziert Bin ich zu gut für meinen Job?

Nicht jeder oder jede hat eine Stelle, die der eigenen Qualifikation entspricht. Das kann Folgen für Karriere und Psyche haben. Es muss aber nicht immer etwas Negatives sein.

Von Bernadette Winter, dpa 22.02.2021, 03:48
Christin Klose
Christin Klose dpa-tmn

Nürnberg (dpa/tmn) - Häufig sind Beschäftigte besser ausgebildet als es ihre Position verlangen würde. Sie gelten dann objektiv als überqualifiziert, "wenn der individuelle Berufsabschluss höher ist als das Anforderungsniveau der Tätigkeit".

So definiert es Basha Vicari vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Also zum Beispiel wenn jemand mit Berufsabschluss eine Helfertätigkeit ausübt oder jemand mit akademischen Abschluss, als Helfer oder Fachkraft arbeitet.

Aber ist das überhaupt problematisch? Überqualifikation könne für diejenigen ein Nachteil sein, die unfreiwillig in eine solche Situation geraten, sagt Vicari. Etwa, weil man in einer Region seine Arbeit verloren hat, in der es für die eigenen Fähigkeiten kaum noch Nachfrage gibt und "irgendeinen" Job annehmen muss, um nicht arbeitslos zu werden. Unbefriedigend sei es für Arbeitnehmer, sobald sie das Gefühl hätten, sie können ihr Potenzial nicht ausschöpfen.

Unterforderung führt zu Überforderung

Dem Psychotherapeuten Enno Maaß zufolge könne die Situation dann zum Problem werden, wenn die Erwartungen, die eine Person an einen Job hat, nicht mit der Realität übereinstimmen. "Eine Unterforderung kann dazu führen, dass man überfordert ist", sagt er. Überfordert, sich zu motivieren, die Zeit rumzukriegen, sich selbst zu organisieren und seine Arbeit zu erledigen.

Andererseits, so der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, müsse sich niemand den Druck machen, einen perfekten Job zu finden oder sich über eine Arbeitszeit von 50 Stunden die Woche definieren.

Es sei besser, das Konzept des gesamten Lebens zu betrachten. "Das hat viele Facetten und kann Zufriedenheit bringen, auch ohne einen passenden Job." Wer sich bewusst für einen Job entscheidet, der nicht zu 100 Prozent der Ausbildung entspricht, der aber bei guter Bezahlung das eigene Sicherheitsbedürfnis befriedigt, könne dabei sogar glücklicher sein. Etwa, weil dann mehr Zeit für die Familie oder Privates bleiben.

Denkbar ist auch, dass der Job mit flachen Hierarchien einhergeht und Arbeitnehmende die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen. "Dann entstehen unabhängig von der Jobbeschreibung Gestaltungsmöglichkeiten, die die Arbeitszufriedenheit steigern können", sagt Maaß.

Überqualifiziert, aber nicht unterbezahlt

Auch finanziell muss eine unterqualifizierte Beschäftigung nicht unbedingt einen Nachteil bedeuten. Ein denkbares Beispiel: Wer als gelernter Bäcker in der Autoindustrie am Fließband arbeitet, übt zwar formal eine Hilfstätigkeit aus, verdient aber trotzdem mehr als zu Zeiten als Bäcker.

Dazu kommt: Verglichen mit den Personen, auf deren Anforderungslevel sie arbeiten, haben Überqualifizierte durchschnittlich höhere Löhne, sagt Vicari. "Wenn ich Fähigkeiten aus meiner eigentlichen Qualifikation, etwa der Ausbildung, auf die neue Stelle übertragen kann, wird das entsprechend entlohnt."

Negatives Signal für potenzielle Arbeitgeber

Auf der anderen Seite gilt der Arbeitsmarktexpertin zufolge aber: "Wer lange überqualifiziert beschäftigt ist, sendet an potenzielle Arbeitgeber ein negatives Signal." Das könne über Jahre wie eine Art Stigma wirken, irgendwann wird es schwierig, zurück in eine adäquate Beschäftigung zu finden. Genau das führe auf Dauer zu einer geringeren Lebenszufriedenheit.

Maaß rät in so einem Fall dazu, für sich selbst herauszufinden, woher die eigene Unzufriedenheit rührt. Was steckt hinter der gefühlten Unterforderung? Darüber hinaus sollte man sich fragen: Welche Stellschrauben gibt es, die verändert werden könnten, ohne den Job zu verlassen? Vielleicht lassen sich Aufgaben tauschen oder man kann in einem anderen Arbeitsbereich eingesetzt werden. "Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Vorgesetzten und erarbeiten Sie gemeinsam eine Lösung."

© dpa-infocom, dpa:210219-99-508376/2

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Friso Gentsch
Friso Gentsch
dpa