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SCHWEIGENDES GEDENKEN Eine Stadt steht unter Schock: Hunderte Lichter und Blumen für Josefine H. aus Aschersleben

Dass die seit einer Woche vermisste 14-Jährige tot ist, ist für die Menschen in Aschersleben ein Schock. Hunderte Menschen verabschieden sich von ihr. Polizei nimmt verdächtigen Ex-Freund fest - Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags.

Von Regine Lotzmann und Harald Vopel 11.11.2021, 19:06
Unzählige Ascherslebener sind zum Holzmarkt gekommen, um für Josefine Blumen niederzulegen.
Unzählige Ascherslebener sind zum Holzmarkt gekommen, um für Josefine Blumen niederzulegen. Foto:Frank Gehrmann

Aschersleben/MZ - Schweigen, Tränen, Betroffenheit – die Nachricht vom Tod der seit einer Woche vermissten Josefine hatte in Aschersleben viele Menschen bestürzt. Am Tag nach der traurigen Gewissheit standen Hunderte am Holzmarkt beisammen, um sich von der 14-Jährigen zu verabschieden. Nur wenige Stunden danach konnte die Polizei, die sich zuvor mit Informationen noch zurückgehalten hatte, Erfolg vermelden: Die Ermittlungen einer extra eingerichteten Sonderkommission habe die Beamten auf die Spur von zwei 14-jährigen Jungen geführt, informiert Stefan Brodtrück, der Sprecher der Polizeiinspektion Magdeburg, am Donnerstagabend.

Keine weiteren Auskünfte

Während der eine Junge mangels eines dringenden Tatverdachts aber schon nach kurzer Zeit wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde, stellte das Amtsgericht Magdeburg gegen den anderen Verdächtigen einen Haftbefehl aus: wegen des dringenden Tatverdachts des Totschlags, so Brodtrück. Der Jugendliche wurde deshalb in eine Jugendanstalt gebracht. Ob es sich bei ihm um den Ex-Freund der 14-Jährigen handelt, den sie an dem Tag ihres Verschwindens treffen wollte, das bestätigt die Polizei nicht. „Weitere Auskünfte werden unter Berücksichtigung des Alters der Täter und den strengen Vorschriften des Jugendstrafrechts nicht erteilt“, begründet der Polizeisprecher das.

Dass die Soko so schnell einen Erfolg vorweisen kann, damit hatten die Ascherslebener am Vormittag noch nicht gerechnet, als sie sich von Josefine verabschiedet hatten. Männer, Frauen, Jugendliche, sie alle legten Blumen nieder und zündeten Kerzen für das Mädchen an. Der kleine Sockel unter der Brunnenfigur verwandelte sich in einen Gedenkort, während die Kirchenglocken läuteten.

Auch Ascherslebens Oberbürgermeister Andreas Michelmann stand mit geröteten Augen und sichtlich erschüttert unter den Trauernden. Er könne nicht verstehen, dass so etwas in einer kleinen Stadt wie Aschersleben geschehen könne, hatte er zuvor in der donnerstäglichen Pressekonferenz der Stadt erklärt und Familie und Angehörigen sein Mitgefühl ausgesprochen. Es tue ihm weh, dass er so etwas nun schon zum zweiten Mal in seiner Amtszeit miterleben müsse, sagte Michelmann und erinnerte an die damals 16-jährige Schülerin Anja L., die 1998 ebenfalls in Aschersleben ermordet wurde.

Und nun wieder ein solcher Schock. Eine Woche lang wurde Josefine vermisst, bevor sie am Mittwochnachmittag in einem Garagenkomplex in Aschersleben tot gefunden wurde. Die Polizei ging von Anfang an von einem Verbrechen aus, wollte aber in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Magdeburg keine weiteren Aussagen treffen. „Um die Ermittlungen nicht zu behindern“, erklärte Stefan Brodtrück das. „Es ist so unwirklich, dass so etwas bei uns in Aschersleben passiert“, sagte Klaus Winter. „Wenn man so etwas im Fernsehen sieht, stammen die Bilder meist aus der Großstadt. Jetzt haben wir das vor der eigenen Haustür.“

Winter ist Schulleiter des Ascherslebener Gymnasiums Stephaneum und gemeinsam mit vielen seiner Schüler und Lehrer zu der Gedenkveranstaltung am Holzmarkt gekommen. Auch wenn das Opfer die Burgschule, also eine der Sekundarschulen der Stadt, besucht hat. Aber viele seiner Schüler würden das Mädchen noch aus dem Kindergarten oder der Grundschule kennen. „Und sie sind äußerst betroffen“, so Winter.

An Unterricht war auch in der Burgschule selbst nicht zu denken. „Dort reden Psychologen mit den Kindern“, sagte Nicole Wiese, deren Sohn Mitschüler der Toten war. „Sie soll ein nettes Mädchen gewesen sein“, sagte die junge Frau. Und auch ihr stiegen Tränen in die Augen. Gemeinsam mit Kolleginnen, die in den Geschäften am Holzmarkt arbeiten, war sie zum Abschiednehmen gekommen. „Wir kennen das Mädchen nicht persönlich, wollen aber unsere Anteilnahme zeigen“, sagte Claudia Schmidt und legte eine Rose zwischen Kerzen, Kuscheltieren und Fotos nieder.

Auch vielen anderen Ascherslebenern geht das Schicksal der 14-Jährigen nahe. Eigentlich hätte am Donnerstag nur ein paar Meter weiter der Frohsinn toben sollen. Denn traditionell wollten die Narren dem Oberbürgermeister die Rathausschlüssel aus den Händen nehmen, um so die neue Faschingssaison zu eröffnen. Doch der Ascherslebener Carnevalsclub (ACC) hat die Veranstaltung kurzerhand abgesagt. Aus Respekt dem Mädchen und seiner Familie gegenüber.