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Brustkrebs Was folgt nach der Schockdiagnose?

Der Oktober ist der Brustkrebsmonat. Es ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Betroffene aus der Region finden im Brustzentrum Harz Hilfe.

28.10.2018, 09:18

Wernigerode l Die Diagnose ist ein Schock. Brustkrebs. Das Leben steht mit einem Mal Kopf. Pläne, die geschmiedet wurden, geraten schlagartig in Vergessenheit. Sie machen der Angst Platz. Angst vor dem, was kommt. Angst vor dem Tod. Rund jede achte Frau in Deutschland erhält in ihrem Leben die Diagnose Brustkrebs.

Wird die Krankheit in einem frühen Stadium erkannt und behandelt, stehen für die meisten Frauen die Chancen gut, den Krebs zu besiegen, betont Dr. Sven-Thomas Graßhoff. Er ist der Leiter des Brustzentrums Harz am Harzklinikum „Dorothea Christiane Erxleben“.

2034 Frauen, die neu an Brustkrebs erkrankt sind, wurden dort zwischen 2008 und 2017 behandelt, berichtet er. Die jüngste Patientin war gerade einmal 20 Jahre alt, die älteste 100. Das Männer von dieser bösartigen Erkrankung der Brustdrüse nicht betroffen sein können, ist ein Irrglaube. „Ein bis zwei sind es pro Jahr. Auf jede 100. Frau kommt statistisch ein Mann“, erläutert Graßhoff.

Die eine Ursache für Brustkrebs, medizinisch als Mammakarzinom bezeichnet, gibt es nicht. Graßhoff spricht von multifaktoriellen – also von vielen Faktoren bedingten – Auslösern. Ebenso wenig lässt sich die Erkrankung verallgemeinern. „Jeder Brustkrebs ist individuell und deshalb muss auch jede Behandlung individuell erfolgen.“

Das Heimtückische an der Krankheit: In der Anfangsphase verursacht der Krebs meist keine Beschwerden. Es gibt Warnzeichen – die aber auch andere Ursachen haben könnten. Dazu zählen Gewebeverhärtungen, tastbare Knoten und Absonderungen aus der Brustwarze. Sollte eine Frau solche Anzeichen feststellen, sollte sie unverzüglich ihren Frauenarzt aufsuchen, betont Sven-Thomas Graßhoff. Um sicherzugehen, ob tatsächlich Brustkrebs vorliegt, tastet zunächst der Arzt die Brust ab, es kommen bildgebende Verfahren wie die Mammographie, Ultraschall und Magnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz. Zeigen sich auch dabei Auffälligkeiten, wird Gewebe entnommen und pathologisch untersucht.

Bestätigt sich die Diagnose Mammakarzinom, gibt es unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten. Welche zum Einsatz kommen, ob einzeln oder kombiniert und in welcher Reihenfolge, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Um welche Art von Krebs handelt es sich, gibt es Geschwülste, wie ist der allgemeine Gesundheitszustand der Frau.

Graßhoff kennt die Befürchtungen vieler Betroffenen vor einer Operation. Sie haben Angst, sich hinterher nicht mehr als Frau zu fühlen. „Früher war es üblich, die komplette Brust und die Lymphknoten zu entfernen“, so der Mediziner aus Quedlinburg. „Aber heute wird zu 75 Prozent Brust erhaltend operiert.“

Um Rückfälle zu verhindern und/oder um Tumorreste zu vernichten, wird die Strahlentherapie eingesetzt. „Die Strahlen wirken lokal, aber sie schädigen auch gesunde Zellen“, erläutert der Oberarzt.

Die wohl bekannteste Therapie-Form bei Krebs ist die Chemotherapie. Die Medikamente können via Tropf und Spritze oder als Tabletten verabreicht werden. „Es handelt sich dabei um Zellgifte. Sie wirken besonders gut bei Zellen, die schnell wachsen und sich teilen.“ Die Form der Behandlung wirkt im gesamten Körper – Metastasen, die sich an anderen Stellen gebildet haben, können so zerstört werden. „Eine Chemo kann ein Ausbreiten des Krebses verhindern und einen Tumor kleiner werden lassen.“

Aber auch diese Therapieform greift gesunde Zellen an. Das führt dazu, dass unter anderem die Haare ausfallen und die Schleimhäute geschädigt werden. Nebenwirkungen wie Erbrechen, Appetitlosigkeit, ein erhöhtes Infektionsrisiko, anhaltende Erschöpfungszustände und die Beeinträchtigung des Gedächtnisses können über längere Zeiträume anhalten. Patienten berichten von Langzeit- und Spätfolgen.

„Man muss bei der Behandlung grundsätzlich abwägen, was vorgeht – die Lebensqualität oder das Leben verlängern“, so Graßhoff. Denn: Eine solche Behandlung ist eine Belastungsprobe für den gesamten Körper und die Psyche. Zum Beispiel für Frauen in einem hohen Alter, deren Krebs sehr langsam wächst und deren Immunsystem schon geschwächt ist, ist eine Chemotherapie unter Umständen nicht ratsam. Was jedoch nicht heißt, dass nicht eine andere Behandlungsform helfen kann.

Dass Patientinnen eine Therapie grundsätzlich ablehnen, komme äußerst selten vor. „Abwarten bringt nichts“, betont Graßhoff. „Die Heilungschancen werden so nicht steigen.“

Und die stehen laut dem Experten grundsätzlich gut, wenn man sich schnell behandeln lässt: 80 Prozent der Patientinnen sind zehn Jahre nach der Diagnose noch am Leben. „Die Prognose bei Bauchspeicheldrüsen- oder Lungenkrebs ist weitaus schlechter.“

Allerdings besteht trotz aller erfolgreichen Therapien die Gefahr eines Rückfalls. Laut Deutschem Krebsforschungszentrum kommt es bei fünf bis zehn von hundert Patientinnen innerhalb von zehn Jahren nach der Erstbehandlung zu einem erneuten Tumorwachstum in der gleichen Brust. Das wird als Lokalrezidiv bezeichnet. Sogar bei Frauen, die sich die gesamte Brust haben entfernen lassen, kann der Krebs zurückkommen. Rund vier von hundert dieser Patientinnen sind betroffen, informiert das Krebsforschungszentrum.

„Einige Fälle gehen einem schon nahe“, sagt Sven-Thomas Graßhoff. Es kommt vor, dass Patientinnen die Diagnose schockiert oder sie während der Behandlung verzweifeln. „Manche sind stark, andere fallen in ein tiefes Loch.“ Doch trotz allen Mitgefühls: „Man kann den Beruf nicht ausüben, wenn man nicht eine gewisse professionelle Distanz an den Tag legt“, sagt der 49-Jährige.

Seit das Brustzentrum Harz 2007 gegründet wurde, hat er die Leitung inne. „Damals waren die Krankenhäuser in Quedlinburg und Wernigerode noch eigenständig.“ Die offizielle Fusion zum Harzklinikum „Dorothea Christiane Erxleben“ erfolgte erst 2012.

Was war der Grund für die Zusammenarbeit? „Es ist nicht so, dass wir früher keine Brustkrebspatienten behandelt haben. Die Häuser haben eine Kooperation vereinbart mit dem Ziel, ein gemeinsames Brustzentrum zu gründen, um die Kräfte zu bündeln.“ Die Personalstärke habe an beiden Kliniken nicht ausgereicht, um jeweils ein Zentrum aufzubauen. In beiden Städten werden Sprechstunden angeboten.

In einem Brustzentrum werden Patienten ganzheitlich versorgt. Es ist ein Netzwerk von Spezialisten unterschiedlicher medizinischer und pflegerischer Fachrichtungen – angefangen von der Beratung/Prävention über die Früherkennung, die Therapie bis hin zur Nachsorge. „Wir sind nur zwei Brustoperateure, aber ein riesiges Team“, so Graßhoff.

Neben den Medizinern und Schwestern sind Psychologen in solchen Zentren tätig. Denn, so betont Graßhoff, bei vielen Patienten hinterlässt die Diagnose psychische Auswirkungen – auch bei Angehörigen. Die Erkrankung bedeutet einen tiefen Einschnitt in alle Bereiche des Lebens. Deshalb erhalten Patientinnen – allein 2017 waren es 253 – im Brustzentrum zudem Beratung und Tipps für Anlaufstellen: Wie sage ich es meiner Familie? Welche finanziellen Hilfen stehen mir zu? Wie werden Kur-Anträge gestellt? Gibt es Mutter-Kind-Einrichtungen? Hilfe während der Behandlungszeit im Haushalt? „Unser Anspruch ist es, nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen zu behandeln“, fasst Graßhoff zusammen.

Für diese Arbeit wird das Brustzentrum Harz seit 2008 regelmäßig von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie (Brustheilkunde) zertifiziert.