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Geburtstag einer Behörde, deren Arbeit immer von Skepsis begleitet wurde 60 Jahre Verfassungsschutz: Tiefschläge und Erfolge

Von Yuriko Wahl 27.09.2010, 04:19

Am Anfang stand ein Fehlstart: Der erste Präsident des 1950 gegründeten Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) beendete seine Karriere im Zuchthaus. "Dr. Otto John: Ein gut aussehender 42-jähriger Rechtsanwalt, unter dem man sich im ersten Augenblick eher einen charismatischen Filmstar als den künftigen Präsidenten eines sehr ernsthaften Bundesamtes vorstellen kann", schrieb die "Kölnische Rundschau" Ende 1950 über den zunächst kommissarischen Leiter des BfV. Vier Jahre später lief John nach Ost-Berlin über, wurde 1956 wegen Landesverrats verurteilt – auch wenn er selbst von einer Entführung sprach und zeitlebens um seine Rehabilitation kämpfte.

Der Inlandsgeheimdienst BfV war vor 60 Jahren mit dem "Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" vom 27. September 1950 begründet worden. In seiner Geschichte gab es Höhen und Tiefen, Erfolge und Misserfolge.

Die Welt hat sich seither verändert – und das gilt auch für die Aufgaben des Amtes, wie Heinz Fromm sagt, der das BfV seit gut zehn Jahren leitet. "Es ging in der Zeit des Kalten Krieges vor allem um die Abwehr von Agenten aus dem MfS (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) und anderer damaliger Ostblockstaaten."

Heute gehören die Abwehr von Wirtschaftsspionage vor allem aus China und Russland sowie die Beobachtung links- und rechtsextremistischer Bestrebungen zu den wichtigsten Aufgaben der Behörde, die erst in der Kölner Innenstadt Quartier bezogen hatte, dann in einen größeren Bau wechselte und schließlich in einen Neubau ins nördliche Chorweiler umzogen. Absolute Priorität hat seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York der Kampf gegen islamistischen Terror.

"Auf Islamismus und islamistischen Terrorismus konzentrieren wir inzwischen circa 50 Prozent unserer Ressourcen", sagt der BfV-Präsident. Die "Abteilung Islamismus/Islamistischer Terrorismus" zog nach Berlin, wo sie mit anderen Sicherheitsbehörden im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum kooperiert. Auch die internationale Zusammenarbeit ist intensiver geworden. Informationen sammelt das BfV mit seinen 2600 Mitarbeitern aus öffentlich zugänglichen Quellen und setzt zudem die ganze Bandbreite nachrichtendienstlicher Mittel, inklusive V-Leute, ein.

Die Arbeit des BfV war immer von Skepsis begleitet. "Die Spitzelmentalität greift um sich", titelten Zeitungen oder "Wer schützt uns vor den V-Männern des Verfassungsschutzes?". Fromm meint dazu: "Die Behörde hat immer in der öffentlichen Diskussion gestanden, mal selbst verschuldet, mal unverschuldet." Der Fall eines abgehörten Atomwissenschaftlers, dem man zu Unrecht eine Nähe zu Terroristen unterstellt hatte, sorgte für einen Skandal – und forcierte die Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums über die Geheimdienste 1978.

Negative Schlagzeilen verursachten auch prominente Überläufer: So setzte sich der hochrangige BfV-Mitarbeiter Hans-Joachim Tiedge 1985 in die DDR ab. Unerfreulich: Der Fall des Kanzleramtsspions Günter Guillaume, der im April 1974 wegen Spionageverdachts für die DDR verhaftet wurde. Obwohl wichtige Hinweise vom BfV kamen und zur Festnahme Guillaumes führten, sei nicht früh genug gewarnt und dilettantisch gearbeitet worden, lauteten damals die Vorwürfe.

Es gibt aber auch viele Erfolge, betont auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Das BfV hat in den vergangenen Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland geleistet", sagt er. Zum 60. Geburtstag der Behörde ist im Dezember ein Festakt in Berlin geplant.(dpa)