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Politiker beklagen Assimilation Ankara empört über türkische Pflegekinder in EU

22.02.2013, 01:16

Tränenreiches Wiedersehen vor laufenden Kameras: Die 19-jährige Elif aus der niedersächsischen Stadt Melle macht in der Türkei Schlagzeilen, als sie nach mehreren Jahren bei einer deutschen Pflegefamilie ihre Mutter wiedertrifft. "Ich muss leider Deutsch sprechen. Mein Türkisch ist nicht so gut", sagt sie beim Wiedersehen, das mit Hilfe von Vizeregierungschef Bekir Bozdag in der Türkei organisiert wurde. Im Blitzlichtgewitter liegt die junge Frau ihrer Mutter in den Armen.

Seit Wochen haben Regierung und Parlament in Ankara die Situation türkischer Pflegekinder in Staaten der EU im Blick. Tausende Kinder, die mit ihren Familien in der EU lebten, seien den Eltern weggenommen und an christliche Familien gegeben worden, wird beklagt.

Den türkischen Jungen und Mädchen drohe Assimilation und der Verlust der eigenen Kultur. Die Kritik kommt auch von höchsten Regierungsstellen.

Thema bei Merkel-Visite

Gut möglich, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem für Sonntag und Montag geplanten Türkei-Besuch auf das Thema angesprochen wird.

Nach Angaben aus der Regierung haben Behörden in europäischen Staaten in den vergangen Jahren mindestens 4000 türkischstämmige Kinder und Jugendliche zwangsweise in Pflegefamilien untergebracht. In Deutschland greifen Jugendämter üblicherweise ein, wenn Kindern oder Jugendlichen in ihrer Familie Gewalt angetan wird, Verwahrlosung droht oder Eltern wegen Krankheit nicht in der Lage sind, das Wohl der Kinder zu gewährleisten.

Untersuchung in Ankara

Für Empörung sorgen in der Türkei Berichte über mehrere Fälle, in denen türkische Kinder in der EU bei homosexuellen Paaren in Pflegschaft gegeben worden seien. Die Untersuchungskommission des türkischen Parlaments will wissen, dass allein in Belgien drei türkischstämmige Kinder bei homosexuellen Paaren untergebracht wurden.

Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments in Ankara will das Schicksal türkischstämmiger Kinder in europäischen Pflegefamilien genauer unter die Lupe nehmen.

Sie sei sehr glücklich, dass sie nach vielen Jahren ihre Mutter habe wiedersehen können, sagt Elif bei dem Treffen mit ihrer Mutter. Den Berichten zufolge hatte sich der Vater früh von der Frau getrennt, diese hatte in Deutschland große psychische Probleme.

Offenbar auf eine Frage hin versichert die Tochter, sie habe eine Moschee besuchen und Kopftuch tragen dürfen. "Ich find\'s auch schade, wenn ich im Nachhinein drüber nachdenke", sagt sie aber vor türkischen Journalisten. "Ich spreche Türkisch nicht und ich habe meine Kultur irgendwo nicht ausleben können. Ich hätte es auch schöner gefunden, in einer türkischen Familie aufzuwachsen." (dpa)