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Bundeswehr produziert eigene Sonnencreme

13.11.2012, 17:03
Niedersachsen/ ARCHIV: Ein Mitarbeiter im Zeitlabor der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) kontrolliert in Braunschweig die Atomuhr "CS2" (Foto vom 25.10.07). Der Bundesrechnungshof ermahnt die Bundesministerien in seinen "Bemerkungen 2012", die am Dienstag (13.11.12) in Berlin veroeffentlicht wurden, zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht gegenueber Bundesbehoerden. So habe nach Angaben des Bundesrechnungshofes die PTB fuer 1.800 Beschaeftigte 4.350 PC angeschaft. Der Ueberhang von 2.550 Computern konnte von der Bundesanstalt nicht erklaert werden, heisst es in dem Bericht weiter.  (zu dapd-Text)
Foto: Nigel Treblin/dapd
Niedersachsen/ ARCHIV: Ein Mitarbeiter im Zeitlabor der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) kontrolliert in Braunschweig die Atomuhr "CS2" (Foto vom 25.10.07). Der Bundesrechnungshof ermahnt die Bundesministerien in seinen "Bemerkungen 2012", die am Dienstag (13.11.12) in Berlin veroeffentlicht wurden, zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht gegenueber Bundesbehoerden. So habe nach Angaben des Bundesrechnungshofes die PTB fuer 1.800 Beschaeftigte 4.350 PC angeschaft. Der Ueberhang von 2.550 Computern konnte von der Bundesanstalt nicht erklaert werden, heisst es in dem Bericht weiter. (zu dapd-Text) Foto: Nigel Treblin/dapd dapd

Der Bund verschwendet wegen schlechter Haushaltsführung Milliarden an Steuergeldern. Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Dieter Engels, bezifferte die Summe gestern auf 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro jährlich allein in den untersuchten Fällen. Auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes bezogen liege die Summe sechs- bis siebenmal höher.

Als Beispiel für Verschwendung nannte Engels die seit zwölf Jahren geplante Beschaffung von 65 amphibischen Luftkissenfahrzeugen für die Bundeswehr, Kosten 20 Millionen Euro. Versuche mit zwei Prototypen verliefen erfolglos, Kosten 1,1 Millionen Euro. Das Boot eines australischen Herstellers - bei einem Gebrauchtwarenhändler bestellt - überstand die Probefahrt nicht. Der Rechnungshof legte der Bundeswehr in seinem Jahresbericht nahe, auf "Alternativen zur Gewässerquerung" zurückzugreifen und auf Luftkissenboote zu verzichten.

Auch produziert die Bundeswehr nicht nur in eigenen Produktionsstätten Medikamente für Soldaten, sondern mit Millionenaufwand auch marktgängige Dinge wie Sonnencreme, Lippenschutzstifte und Nasenspray. Geschätzte 90 Prozent davon werden aber Engels zufolge nicht in Afghanistan oder im Kosovo gebraucht, sondern landen im Lager.

Kurios mutet die Beschaffung eines neuen Tonnenlegers für die Ems an, Kosten 28 Millionen Euro. Weil das Schiff nur zur Hälfte ausgelastet werden kann, soll es auch beim Feuerschutz und bei Schadstoffunfällen eingesetzt und für 11 Millionen Euro umgerüstet werden. Doch dann kann es nicht mehr schwimmende Verkehrszeichen zur Markierung von Fahrrinnen aussetzen. "Denn Schiffe, die Feuerschutz betreiben, müssen sich ständig im Einsatzgebiet aufhalten und können nicht andernorts Tonnen ausfahren", sagte Engels.

Die "Sorgenkinder" bei der jährlichen Überprüfung sind dem Rechnungshof-Präsidenten zufolge immer die Bundeswehr und der Verkehrsetat, also Bereiche, in denen viel Geld ausgegeben wird.

Aber auch bei den Ausgaben des Bundes für Informations- und Kommunikationstechnik, dem Schwerpunkt der jüngsten Prüfung, wurden die Experten fündig. Denn im Bundesversicherungsamt waren 100 Laptops nicht mehr aufzufinden. In der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt hatten 1800 Beschäftigte fast dreimal so viele Computer. "Den Überhang von 2550 PCs konnten sie nicht erklären", sagte Engels.

Über die Mängelliste hinaus forderte der Bundesrechnungshof die Regierung auf, die Staatsschulden so rasch wie möglich zu vermindern. Engels sagte: "Die relativ günstige gesamtwirtschaftliche Situation sollte genutzt werden, um das Haushaltsdefizit konsequent zu reduzieren." So seien noch nicht alle Konsolidierungsmaßnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Euro aus dem Sparpaket 2010 umgesetzt. "Hierzu gehören die Finanztransaktionssteuer und die vorgesehenen Einsparungen im Verteidigungshaushalt."

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, erklärte, die Sozialdemokraten fühlten sich durch die Kritik des Rechnungshofs bestätigt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe in seiner Planung keine Risikovorsorge gebildet. "Die Lösung dieser Probleme überlässt Herr Schäuble dem neuen Finanzminister in der nächsten Wahlperiode."

Die haushaltspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Gesine Lötzsch, sagte: "Dass die Bundeswehr in eigener Regie für Millionen Euro Steuergelder Sonnencreme, Lippenschutzstifte und Hus-tentropfen herstellt, klingt wie ein schlechter Witz." (dapd)