Am 23. März 1933 beschließt der Reichstag ein Gesetz, das den Nazis den Weg zur Diktatur frei macht Das Ermächtigungsgesetz - Todesstoß für die Demokratie
Um 19.52 Uhr ist die Demokratie endgültig tot. "Es haben gestimmt mit Nein 94 Abgeordnete, mit Ja 441 Abgeordnete", ruft Reichstagspräsident Hermann Göring in den Saal der Krolloper in Berlin. "Somit ist das Ermächtigungsgesetz mit der verfassungsmäßigen Mehrheit von 441 Stimmen angenommen." Stürmischen Beifall und Heil-Rufe bei den Nationalsozialisten vermerkt das Sitzungsprotokoll an dieser Stelle. Beim nochmaligen Zählen sind es am Ende sogar 444 Ja-Stimmen, die vor 80 Jahren den Weg in die Diktatur frei machen.
Da der Reichstag abgebrannt ist, findet die Sitzung in der nahe gelegenen Krolloper am Brandenburger Tor statt. Die Stimmung ist aufgeheizt. Besonders SA-Leute machen den Weg in das Gebäude für die SPD-Abgeordneten zum Spießrutenlauf. Der spätere Vorsitzende Kurt Schumacher überzeugt die Fraktion, der Sitzung nicht aus Angst vor Repressalien fernzubleiben. Sie will komplett mit Nein stimmen.
Der bis heute ungeklärte Reichstagsbrand spielt der NSDAP in die Hände: Sie beschwört das kommunistische Gespenst und eine Gefahr für das Vaterland. Das zu behandelnde "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" umfasst nur fünf Punkte. Unter Punkt eins heißt es lapidar: "Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden." Es ist der Freifahrtschein für Adolf Hitler.
Gegenwehr der SPD bleibt zwecklos
Der 23. März 1933 wird für das bürgerliche Lager zur Kapitulation vor Hitler: Weil die katholische Zentrumspartei und die bayerische Volkspartei und die deutsche Staatspartei zustimmen, schafft die NSDAP die Mehrheit. Wenn heute die SPD-Abgeordneten im Reichstag zur Fraktionssitzung laufen, kommen sie an einer weißen Wand vorbei, auf der in schwarzer Schrift die Namen aller 94 Abgeordneten stehen, die damals mit Nein stimmten. Getagt wird im Otto-Wels-Saal. Unvergessen sind die entscheidenden Worte des damaligen Fraktionsvorsitzenden Wels in seiner Rede am 23. März 1933 zum Ermächtigungsgesetz: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht."
Die Gewerkschaften wurden wenig später gleichgeschaltet, die SPD im Juni verboten. Recht wurde nun in Deutschland, was Hitler für Recht hielt. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte nach der "Ermächtigung" zufrieden in seinem Tagebuch: "Jetzt sind wir auch verfassungsmäßig die Herren des Reiches." (dpa)