US-Schauspieler Dean Reed war Sänger, Sozialist und Sonnyboy
Er wäre auch gut als „Marlboro Man“ durchgegangen. Doch Dean Reed zog von den USA in die DDR. Dort wollte er auch die Welt verbessern.
Berlin (dpa) l Eine junge Frau aus der DDR erobert im verregneten November sein Herz. 1971 ist der attraktive US-Schauspieler Dean Reed Ehrengast beim Dokumentarfilmfest in Leipzig – und die junge Wiebke begeistert ihn so, dass er sie ein Jahr später heiratet und in die DDR übersiedelt. Der aus Colorado stammende Sänger, Schauspieler, Friedenskämpfer, Rebell und Frauenschwarm lebt ab 1972 „als singender Cowboy der DDR“ im deutschen „Arbeiter- und Bauernstaat“. Um seinen mutmaßlichen Freitod 1986 rankt sich bis heute das Gerücht, die Stasi habe ihn ermordet. Heute wäre Reed 80 Jahre alt geworden.
Der Sonnyboy und politische Idealist war vor allem im damaligen Ostblock und in lateinamerikanischen Ländern populär. Reed war mit dem chilenischen Präsidenten Salvador Allende und Palästinenserführer Jassir Arafat befreundet, protestierte gegen die US-Regierung, gegen Diktaturen und den Vietnamkrieg.
Er ließ sich auch mal mit der Gitarre in der einen und einer sowjetischen Kalaschnikow in der anderen Hand fotografieren. Am bekanntesten war Reed als Sänger von Country-Schlagern im DDR-Fernsehen oder siegreicher Cowboyheld auf der Leinwand. Die DDR-Oberen präsentierten ihn als geläuterten Amerikaner, der sich für ihre Seite entschieden hat. Der Dokumentarfilm „Der rote Elvis“ zeigt, dass Politiker des DDR-Regimes wie Erich Honecker dem selbst ernannten Friedenskämpfer ebenso Beifall klatschten wie chilenische Arbeiter.
Im Film des in Dresden geborenen Regisseurs Leopold Grün, der 2007 in Berlin Premiere feierte, kommen auch Reeds deutsche Ex-Frauen – die Ehe mit Wiebke zerbrach, danach heiratete er Renate Blume – und Geliebte zu Wort. Als eine von ihnen von dem Star aus dem Haus geworfen wird, versteht sie die Welt nicht mehr: „Ich dachte, ich spinne – der große Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit in aller Welt schmeißt eine Frau einfach so aus dem Haus, soll sie doch bleiben wo sie will“, berichtet sie. Untermalt werden die Filmsequenzen mit Reeds Liedern, in denen er auf Deutsch, Englisch und Spanisch zur sozialistischen Revolution für eine bessere Welt aufruft. Doch er merkt zunehmend, dass auch in der DDR einiges im Argen liegt. DDR-Volkspolizisten herrscht er 1982 laut Protokoll der Beamten an, als sie ihn wegen einer Geschwindigkeitsübertretung anhalten: „Die Staatslimousinen, die mich gerade mit 160 km/h überholt haben, schreibt ihr nicht auf. Das ist ja wie ein faschistischer Staat hier. Ich habe das langsam wie die meisten der 17 Millionen in diesem Land bis hierher satt!“
Reed war in der Krise. Er war zunehmend weniger gefragt. Im Juni 1986 verschwindet er plötzlich. Seine Witwe erinnert sich: „Er packte seine Tasche und sagte, er gehe zu den Menschen, die ihn lieben. Dabei gab er jedoch kein konkretes Reiseziel an.“ Am Ufer des Zeuthener Sees bei Berlin wurde Reed wenige Tage später tot gefunden. Sein 15-seitiger Abschiedsbrief verschwand bis zum Ende der DDR in den Stasi-Akten.
„Mein Tod hat nichts mit Politik zu tun“, schrieb der „singende Cowboy“ darin. Aber der Tod war ein Politikum allerersten Ranges. SED-Chef Erich Honecker persönlich, den Reed im Brief ausdrücklich grüßen ließ, gab die Parole vom Unglücksfall aus. Im Westen tauchte die Vermutung auf, die Stasi könnte Reed beseitigt haben, weil er plante, in die USA zurückzukehren. Bis heute halten sich Mutmaßungen, der Abschiedsbrief könne von der Stasi selbst verfasst worden sein.
Reeds Urne wurde 1991 in die USA überführt. Im Westen Deutschlands ist er bis heute nur wenigen ein Begriff. Ein US-Oscarpreisträger wollte dafür sorgen, dass der Ost-West-Exot wieder in Erinnerung gerufen wird: Seit 2001 bemühte sich Oscar-Preisträger Tom Hanks um Filmrechte. Er traf sich dafür in Berlin unter anderem mit Reeds Witwe, der Schauspielerin Renate Blume, sowie Ex-DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Hanks das Projekt fallengelassen hat.