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US-Präsident gibt nach "Sandy" den entschlossenen Macher - Republikaner Romney muss zusehen Der subtile Wahlkampf des Krisenmanagers Barack Obama

Von Ben Feller 01.11.2012, 01:12

Der verheerende Sturm "Sandy" hat eine Schneise der Zerstörung durch den Nordosten der USA geschlagen und der erbitterte Wahlkampf ist eine Woche vor dem Abstimmungstermin weitgehend zum Erliegen gekommen. So scheint es zumindest. Denn das beherzte Krisenmanagement versetzt Amtsinhaber Barack Obama in die angenehme Lage, für seine Wiederwahl werben zu können, ohne tatsächlich über Politik sprechen zu müssen.

Der US-Präsident profiliert sich als Macher, der die Hilfsmaßnahmen koordiniert und als Staatsmann, der das kleinliche Parteiengezänk angesichts der nationalen Krise hinter sich lässt. Mit großem Pathos richtete sich Obama am Dienstag beim Besuch der Zentrale des Roten Kreuzes in Washington an die Betroffenen: "Amerika steht euch bei."

In der gegenwärtigen Situation ist der Amtsinhaber klar im Vorteil. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney kann Konservendosen in Hilfstransporte laden, wie am Dienstag im US-Staat Ohio. Obama dirigiert aus dem Lagezentrum des Weißen Hauses heraus die Bundesbehörden und steuert die Hilfsmaßnahmen im gesamten Nordosten der USA.

Als hemdärmeliger Commander in Chief rief er a die Opfer des Sturms auf, sich von den Behörden nicht vertrösten zu lassen. Wer Hilfe benötige, werde sie erhalten. Er habe den Gouverneuren der betroffenen US-Staaten seine uneingeschränkte Unterstützung zugesagt. "Sie können mich persönlich im Weißen Haus anrufen", sagte Obama.

Die Ausnahmesituation schafft ungewöhnliche Koalitionen: Der republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, lobte die Zusammenarbeit zwischen den örtlichen und bundesstaatlichen Behörden als "ausgezeichnet" und hob dabei vor allem das Engagement Obamas hervor. Er habe bereits dreimal mit dem Präsidenten telefoniert, nachdem dieser von der schwierigen Lage in New Jersey erfahren habe, sagte Christie dem Nachrichtensender CBS News.

Daraufhin habe Obama im Schnellverfahren die Ausrufung des Notstands für den Staat angeordnet - ohne die üblichen bürokratischen Hürden. "Ich kann ihm nicht genug dafür danken", sagte Christie weiter.

Im republikanischen Vorwahlkampf war Christie noch als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat von Romney gehandelt worden. Zuletzt hatte Christie seinen Parteifreund im Wahlkampf unterstützt.

Wann Obama vom Krisenmanager wieder zum Wahlkämpfer wird, werde im Weißen Haus entschieden, nicht in der Wahlkampfzentrale der Demokraten, heißt es. Allerdings dürfte im Lager des Präsidenten unter Wahlkampfgesichtspunkten niemand unglücklich über die derzeitige Lage sein.

"Der Präsident konzentriert sich auf genau das, wozu ihn die Amerikaner gewählt haben: Er führt das Land durch die Krise", sagte seine Wahlkampfsprecherin Jen Psaki. Angesichts solch staatstragenden Gehabes sind dem sonst so bissigen Romney die Hände gebunden. In Krisenzeiten honorieren US-Wähler keine politischen Seitenhiebe, die die nationale Einheit gefährden könnten.

Also bleibt Romney nur der demütige Dienst am Nächsten. In einer Sporthalle in Ohio half er am Dienstag, Hilfslieferungen in Lastwagen zu laden. "Wir brauchen für die Familien in Not jede Hilfe, die wir bekommen können", sagte er. Allerdings konnte er es sich nicht verkneifen, einen Wahlwerbespot zu zeigen, in dem er verspricht, die USA wieder stark zu machen.

Die Reaktion der demokratischen Strategen: "Wir werden schon früh genug zum wichtigsten Wahlkampf unseres Lebens zurückkehren", schrieb Obamas Wahlkampfleiter Jim Messina in einer E-Mail. Anstatt aber wie üblich um Wahlkampfspenden zu werben, bat Messina in dem Schreiben an Unterstützer um Hilfe für das Rote Kreuz.

Jeder Tag, an dem Obama weiter den Krisenmanager geben kann, ist ein gewonnener Tag für seine Kampagne. Und so macht der Präsident fleißig Wahlkampf, ohne auch nur ein Wort über die Abstimmung in der kommenden Woche zu verlieren. (dapd/AP)