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Der grüne Clan Bekommt auch der Trauzeuge Spitzenjob?

Wirtschaftsstaatssekretär Graichen gerät wegen Personalpolitik immer mehr unter Druck

03.05.2023, 15:33
Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen gerät wegen seiner nepotistischen Personalpolitik immer mehr unter Druck.
Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen gerät wegen seiner nepotistischen Personalpolitik immer mehr unter Druck. Foto: dpa

Berlin - Wegen persönlicher Verflechtungen bei der Besetzung eines Spitzenpostens gerät Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen immer mehr unter Druck. Graichen hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) laut Ministerium zu Wochenbeginn darüber informiert, dass der neue Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (dena), Michael Schäfer, sein Trauzeuge war; Graichen war aber auch Mitglied einer Findungskommission, die Schäfer für den Posten vorgeschlagen hatte. Das Verfahren zur Neubesetzung des dena-Postens soll überprüft und gegebenenfalls neu aufgesetzt werden, wie das Ministerium jetzt mitteilte.

Eine Sprecherin Habecks sprach gestern mit Blick auf die Neubesetzung des dena-Postens von einem „bedauerlichen Fehler“, der aber „heilbar“ sei. Es liege kein reiner Rechtsverstoß vor. Es könnte aber der Anschein einer möglichen Befangenheit Graichens entstanden sein.

Die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur versteht sich laut Eigendarstellung als „Wegbereiter“ der Energiewende. Die dena hatte Anfang April mitgeteilt, dass Schäfer mit Wirkung zum 15. Juni 2023 zum neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung bestellt wurde.

Schäfer war demnach zuvor Mitglied der Geschäftsleitung des Naturschutzbundes Deutschland und saß für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Aufsichtsrat habe sich nach einem Auswahlgespräch aufgrund der „herausragenden Qualifikation“ einstimmig für Schäfer entschieden, so das Ministerium.

Familiäre Verflechtungen wichtiger Mitarbeiter Habecks um Staatssekretär Graichen hatten bereits für Irritationen bei der Opposition gesorgt. Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban hatte am Mittwoch im Bundestag von „mafiösen Tendenzen“ gesprochen, Stephan Brandner von der AfD, auf deren Betreiben der Bundestag in Berlin das Thema in einer Aktuellen Stunde diskutierte, redete von „grünen Clan-Strukturen“. Vertreter der Ampel-Fraktionen betonten, es seien keine Regeln verletzt worden.

Zwei hochrangige Mitarbeiter Habecks haben familiäre Bindungen zum Öko-Institut, einer ökologisch ausgerichteten Forschungseinrichtung. Die Schwester des für Energiefragen zuständigen Staatssekretärs Graichen, Verena Graichen, arbeitet bei der Naturschutzorganisation BUND und, wie auch ein weiterer Bruder, beim Öko-Institut, wie unter anderem der SPD-Abgeordnete Markus Hümpfer zusammenfasste. Verena Graichen ist wiederum verheiratet mit dem parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne).

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte, eine Empfehlung des eigenen Trauzeugen für eine Führungsposition sei eine „Grenzüberschreitung“, die jedes Fingerspitzengefühl vermissen lasse. „Wenn es stimmt, dass Patrick Graichen in einer Vorauswahl seinen Trauzeugen empfohlen hat, dann ist das Maß überschritten. Staatssekretäre müssen über jeden Verdacht der Vorteilsannahme erhaben sein. Robert Habeck muss diesen Sachverhalt schnell aufklären und erläutern, wie er verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen will.“ Der FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben sagte dem „Handelsblatt“, es stelle sich die Frage, ob Graichen in seinem Amt noch tragbar sei. Die CSU forderte die Entlassung von Patrick Graichen.

Habeck verteidigte Graichen. „Ohne die konsequente Art von Patrick Graichen wäre Deutschland heute in einer schweren Wirtschaftskrise“, sagte der Minister der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Graichen hat unterdessen einen Fehler eingeräumt. „Im Verfahren der Findungskommission habe ich leider nicht richtig aufgepasst. Ich hätte mich ab dem Moment, als Michael Schäfer Kandidat wurde, aus dem Verfahren zurückziehen sollen, damit im weiteren Prozess kein falscher Eindruck entsteht. Das war ein Fehler, und ich bedauere diesen Fehler sehr“, sagte er gestern. (uk/dpa)

                          Meinung

Michael Schäfer sollte ab 15. Juni der neue Geschäftsführer der deutschen Energieagentur dena sein.BENJAMIN MALTRY/Deutsche Energie
Michael Schäfer sollte ab 15. Juni der neue Geschäftsführer der deutschen Energieagentur dena sein.BENJAMIN MALTRY/Deutsche Energie
Foto: Maltry/Deutsche Energie-Agentur