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Protestgruppe Berliner Feuerwehr öfter durch Klimaaktivisten behindert

Anfangs waren nur Autofahrer im Stau empört über Straßenblockaden von Klimaschützern. Im Zusammenhang mit dem Tod einer Radfahrerin wuchs die Kritik. Nun äußerte sich auch die Schwester der Toten. Und die Feuerwehr steht viel öfter im Blockade-Stau als bisher bekannt war.

Von dpa Aktualisiert: 10.11.2022, 23:05
Ein Polizist löst die festgeklebte Hand eines Klimaaktivisten.
Ein Polizist löst die festgeklebte Hand eines Klimaaktivisten. Sven Hoppe/dpa/Symbolbild

Berlin - Durch Straßenblockaden von Klimaschutz-Demonstranten in Berlin sind seit dem Sommer in 17 Fällen Einsätze der Feuerwehr behindert worden. In einigen Fällen ging es dabei um die Wiederbelebung von Patienten durch einen Notarzt, wie der Senat auf eine Anfrage der FDP mitteilte.

Die Feuerwehr stellte im Juni, Juli und Oktober in 13 Fällen ein verspätetes Eintreffen und Einsatzverzögerungen wegen der Klimaaktivisten fest. Zwei Mal mussten andere Rettungswagen alarmiert werden, zwei Mal standen Krankenwagen mit Patienten auf dem Weg ins Krankenhaus im Stau. Dabei ging es teilweise auch um dringende Nottransporte und ein Mal um einen Schlaganfallpatienten. Der „Tagesspiegel“ (Mittwoch) hatte darüber zuerst berichtet.

Zwei Klimaschutz-Demonstrantinnen der Gruppe „Letzte Generation“ protestierten am Mittwoch auf dem Brandenburger Tor. Sie kletterten am Morgen auf das Tor und hängten ein Transparent auf, auf dem stand: „Wir wünschen uns ein Überleben für alle.“ Zudem klebten sie sich so fest, dass die Polizei sie auch mit einem Höhenretter-Team zunächst nicht vom Tor bekam. Gegen Mittag sollte ein Verhandlungsteam dazu stoßen, um die Frauen zur Mitarbeit zu bewegen.

Die Gruppe „Letzte Generation“ war im Zusammenhang mit dem Tod einer Radfahrerin in Berlin scharf kritisiert worden. Die 44-jährige Frau war am 31. Oktober von einem Betonmischer überrollt worden und später gestorben. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das helfen sollte, die eingeklemmte Frau zu befreien, steckte in einem Stau nach einem Klima-Protest.

Insgesamt sind laut Senat bislang knapp 1600 Anzeigen wegen der Blockaden und anderer Klebe-Aktionen eingegangen, es gibt 729 Ermittlungsverfahren und 4 rechtskräftige Urteile. Die Justiz hat 343 mutmaßliche Blockierer erfasst, davon 182 Personen, die sich an mehreren Aktionen beteiligten. 42 Männer und Frauen waren zehn Mal oder häufiger bei Aktionen dabei, 7 davon sogar mehr als 20 Mal.

Der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo kritisierte, der Senat habe „noch kein wirksames Rezept“ gegen Wiederholungstäter gefunden. Die Blockaden könnten die Gesundheit von Berlinern gefährden oder Leben kosten. Das sei eine „Erpressung der Allgemeinheit.“

Die Schwester der gestorbenen Radfahrerin kritisierte die Blockierer. Sie und ihre Schwester hätten deren Ziele zu 100 Prozent geteilt, sagte sie dem „Spiegel“. „Aber wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird, verletzt mich sehr.“ Das Fahrzeug der Feuerwehr habe durch die Blockade nicht die Möglichkeit gehabt, früher vor Ort zu sein. Unabhängig davon, ob die Verspätung Einfluss auf den Tod ihrer Schwester gehabt habe oder nicht, sei klar: „Die Tatsache, dass es behindert wurde, besteht ja weiterhin. Und es hätte ja ebenso gut sein können, dass dieses Fahrzeug das Leben meiner Schwester hätte retten können, wie zunächst anzunehmen war.“

Sie forderte die Blockierer auf, zu überdenken, „ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen“.

Gleichzeitig verlangte sie mehr Sicherheit für Radfahrer. Sie wisse, dass an der Unfallstelle der Radweg benutzt werden müsse, was ihre Schwester nicht tat. Viele Radwege und Kreuzungen in Berlin seien aber in einem zu schlechtem Zustand oder gefährlich. „Man muss solche schwierigen Verkehrsstellen generell im Sinne der Radfahrer überdenken, um Unfälle zu reduzieren.“

Nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ war die Radfahrerin mit einem Bein unter einem Rad des Lkw eingeklemmt. Laut Feuerwehr hätten die Rettungskräfte durch den Stau sieben bis neun Minuten verloren. Aber auch das Anheben des Betonmischers hätte Zeit gekostet und die Situation des Opfers verschlechtert. Daher wollten die Feuerwehrleute in Absprache mit der Notärztin nicht länger warten. Ein Feuerwehrmann fuhr den Lkw vom Bein der Frau herunter. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte berichtet, die Notärztin habe unabhängig vom Stau wegen der schnellen Befreiung des Opfers auf das Anheben des Lkw verzichtet.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast kritisierte im Magazin „Stern“: „Ich will, dass wir in der Sache weiterkommen, aber seit Tagen diskutieren wir, ob Kartoffelbrei an Kunstwerken eine geeignete Demonstrationsform ist.“ Man müsse Menschen überzeugen und Mehrheiten finden. „Nach einem Todesfall zu sagen, wir sind radikal, wir machen einfach weiter, das ist mir zu wenig.“