Kriminalität In Niedersachsen werden etwa 1250 Menschen vermisst
Die meisten Vermisstenfälle klären sich, die Verschwundenen tauchen wieder auf. Doch es gab 2022 im Norden auch Fälle mit tödlichem Ausgang. Und es gibt einen Toten, den scheinbar niemand vermisst.

Hannover/Bremen - Acht Tage lang bangten die Menschen in und um Oldenburg um den achtjährigen Joe. Der behinderte Junge war Mitte Juni spurlos verschwunden. Polizei und Rettungskräfte suchten mit allen verfügbaren Mitteln nach ihm, unterstützt von Dutzenden Freiwilligen. Als schon fast keine Hoffnung mehr bestand, wurde Joe gefunden - unter einem Gullydeckel. Er war in ein Abflussrohr gekrochen und hatte sich in der Kanalisation verirrt.
Der verschwundene Joe war 2022 der spektakulärste Vermisstenfall in Niedersachsen, und er ging glimpflich aus. Stand Mitte Dezember galten in Niedersachsen 1251 Personen offiziell als vermisst, wie das Landeskriminalamt in Hannover mitteilte. Das sei aber nur eine Momentaufnahme, sagte eine Sprecherin: Fast täglich gebe es neue Vermisstenmeldungen, erledigte Fahndungen würden gelöscht.
Und auch nur ein Teil der verzeichneten Personen sei 2022 verschwunden. Der älteste niedersächsische Fall in der Dauerdatei mit dem Namen „Vermi/uTot“ reiche ins Jahr 1957 zurück.
Im Bundesland Bremen wurden Mitte Dezember 188 Personen vermisst. 115 von ihnen seien in diesem Jahr verschwunden, teilte die Polizei mit. Zu ihnen zählten 14 Erwachsene und ein Kind, die übrigen seien Jugendliche. Dabei hatte die Vermisstenstelle der Polizei Bremen im Jahreslauf insgesamt fast 7500 Fälle zu bearbeiten. Die meisten davon klärten sich, und oft hatten es die Beamtinnen und Beamten mit immer derselben Kundschaft zu tun: Ein 16-jähriges Mädchen, das in einer Kriseneinrichtung untergebracht war, riss 111 Mal von dort aus.
Den Polizeistatistiken nach verschwinden deutlich mehr Männer als Frauen, mehr männliche Jugendliche als weibliche, mehr Jungen als Mädchen. Erwachsene dürfen ihren Aufenthaltsort frei wählen. Deshalb fahndet die Polizei bei solchen Vermisstenfällen, wenn Gefahr für die verschwundene Person oder eine Straftat befürchtet wird. Bei Minderjährigen wird sofort eine intensive Suche ausgelöst.
In Bremerhaven wurde im Februar eine 32-jährige Frau russischer Herkunft vermisst. Auch in diesem Fall suchte nicht nur die Polizei. Freiwillige verteilten in der Seestadt Zettel mit dem Bild der Frau und organisierten sich in sozialen Netzwerken, um selbst auf die Suche zu gehen.
Doch diesmal wurden die schlimmsten Befürchtungen wahr: Anfang März wurde ein Koffer mit der zerstückelten Leiche der jungen Mutter am Weserufer angeschwemmt. Der Verdacht fiel rasch auf ihren Mann. Er steht derzeit in Bremen wegen des Verdachts des Mordes vor Gericht.
Die Polizei Wilhelmshaven griff in diesem Jahr den Fall eines Toten wieder auf, den anscheinend niemand vermisst. Der mutmaßlich ermordete Mann, Typ gut situierter Geschäftsmann, war 1994 in der Nordsee treibend vor Helgoland gefunden worden. Der Fund passte aber zu keinem Vermisstenfall. Eine biochemische Feinanalyse ergab, dass der Mann viele Jahre in Australien gelebt haben muss. Doch geklärt ist seine Identität auch weiterhin nicht.