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Antisemitismus Kunstwerk gegen Schmähskulptur an Zerbster Kirche

Die Ruine der Kirche St. Nicolai in Zerbst ist nicht weit von Wittenberg entfernt. Beides sind Städte, wo sich seit dem Mittelalter antijüdische Schmähskulpturen befinden. In Zerbst soll der sogenannten Judensau eine weitere Einordnung entgegengesetzt werden. Mit Hilfe eines Künstlers.

Von dpa Aktualisiert: 04.10.2022, 15:01
Blick in die Ruine der ehemaligen Kirche Sankt Nicolai.
Blick in die Ruine der ehemaligen Kirche Sankt Nicolai. Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Zerbst - Die evangelische Kirchengemeinde St. Nicolai und St. Trinitatis in Zerbst will mit einem Kunstwerk ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus setzen. In unmittelbarer Nähe zu der antijüdischen Schmähskulptur, der „Judensau“, die sich an einem Pfeiler der heutigen Ruine der Kirche St. Nicolai seit dem Jahr 1450 befindet, soll das Gegendenkmal errichtet werden, wie ein Sprecher der evangelischen Landeskirche Anhalts mitteilte.

Dafür hatte die Zerbster Kirchengemeinde einen künstlerischen Wettbewerb ausgeschrieben. Das Denkmal soll in unmittelbarer Nähe der Schmähskulptur postiert sein und ihr eine eigene Botschaft entgegensetzen, hieß es. Unter zehn eingesandten Entwürfen hat die Jury, besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Kirchengemeinde, des Fördervereins St. Nicolai, der Evangelischen Landeskirche Anhalts sowie des Zerbster Stadtmuseums, einen Entwurf von Hans-Joachim Prager aus Wernau (Baden-Württemberg) ausgewählt. Der Künstler wurde 1952 in Dessau, unweit von Zerbst, geboren.

Antijüdische Skulpturen wie die sogenannte Judensau gibt es seit dem Mittelalter an mehreren Kirchen in Deutschland. Die Diskussion um den heutigen Umgang damit hatte zuletzt mit einem Relief an der Stadtkirche von Wittenberg für Aufsehen gesorgt. Dort hatte der Theologe Martin Luther (1483-1546) gepredigt. Der Reformator steht laut Historikern wegen antisemitischer Äußerungen in der Kritik.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in diesem Jahr im Juni in dem langen juristischen Streit eines Klägers entschieden, dass die Bodenplatte - das 1988 eingelassene Mahnmal - und ein Aufsteller mit erläuterndem Text vor der Kirche ausreichten, um aus dem „Schandmal“ ein „Mahnmal“ zu machen. Es könne bleiben.

Ein Expertengremium hatte indes der evangelischen Stadtkirchengemeinde von Wittenberg empfohlen, die Skulptur zeitnah zu entfernen. Das laut Historikern im Mittelalter entstandene Relief aus Sandstein zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch Spitzhüte als Juden identifiziert werden sollen. Eine als Rabbiner geltende Figur hebt den Schwanz des Tieres und blickt in den After. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein.

Die evangelische Stadtkirchengemeinde in Wittenberg beschloss im August dieses Jahres, das antijüdische Schmährelief an Luthers Predigtkirche erhält zunächst einen neuen Erklärtext als klares Zeichen gegen Antisemitismus. Auf der neuen Tafel werde erstmals das jüdische Volk um Vergebung gebeten, sagte der Sprecher.

Im Vergleich zum bisherigen Text positioniere sich die Wittenberger Gemeinde eindeutig gegen Antijudaismus und Antisemitismus. In Zerbst gibt es den Angaben der Evangelischen Landeskirche Anhalts zufolge seit Anfang 2022 eine Informationstafel unter der Schmähskulptur an der Kirchenruine St. Nicolai. Wann nun das von dem Künstler entworfene Gegendenkmal zur Skulptur aufgestellt werden soll, galt noch als offen.