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Nach Neubewertung Streit mit Verfassungsschutz - AfD: „1:0 für uns“

Der Verfassungsschutz geht im Rechtsstreit mit der AfD einen kleinen Schritt zurück. Die Partei sieht das als Teilerfolg. Doch so einfach ist es nicht.

Von Jörg Ratzsch, dpa Aktualisiert: 08.05.2025, 19:19
Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla nehmen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes an einer Gedenkstunde im Bundestag teil. Am selben Tag kommt die Nachricht , dass der Verfassungsschutz vorläufig seine Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ auf Eis legt.
Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla nehmen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes an einer Gedenkstunde im Bundestag teil. Am selben Tag kommt die Nachricht , dass der Verfassungsschutz vorläufig seine Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ auf Eis legt. Kay Nietfeld/dpa

Berlin - Die Zusage des Verfassungsschutzes, die AfD zunächst nicht weiter als „gesichert rechtsextremistisch“ zu bezeichnen und eine entsprechende Mitteilung von seiner Homepage zu nehmen, hat bei der Partei Genugtuung ausgelöst. AfD-Spitzenvertreter werten den Schritt bereits als Teilerfolg im Rechtsstreit mit dem Inlandsnachrichtendienst. Entscheidungen des zuständigen Gerichts in dem voraussichtlich langwierigen Rechtsstreit sind aber noch gar nicht gefallen.

„Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagte Parteichefin Alice Weidel. Sie wiederholte ihre Kritik, dass die Beobachtung ihrer Partei durch den Verfassungsschutz politisch motiviert sei. „Ein guter Tag für uns natürlich“, fügte ihr Co-Chef Tino Chrupalla hinzu. „1:0 für uns!“, schrieb der in der AfD einflussreiche Fraktionsvize Sebastian Münzenmaier auf der Plattform X.

Der Bundesverfassungsschutz hatte zuvor in einer sogenannten Stillhaltezusage zugesichert, seine neue Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ vorläufig auf Eis zu legen, obwohl er dies laut der abgegebenen Zusage, die dpa vorliegt, weiterhin für gerechtfertigt hält. Vor knapp einer Woche hatte der Inlandsnachrichtendienst die AfD entsprechend hochgestuft. Die Partei hatte beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln einen Eilantrag und eine Klage dagegen eingereicht und eine Stillhaltezusage gefordert, solange im Eilverfahren nicht entschieden ist. 

Gericht „sachgemäße summarische Prüfung“ ermöglichen

Dieser Forderung ist der Inlandsnachrichtendienst nun „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ nachgekommen. Er erklärte, die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung bis zu einer Entscheidung vorläufig auszusetzen „und die AfD einstweilen weiterhin lediglich als Verdachtsfall“ zu beobachten und zu behandeln, „um der beschließenden Kammer eine sachgemäße summarische Prüfung im Eilverfahren“ zu ermöglichen. Das Bundesamt selbst wollte sich „mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht“ nicht öffentlich äußern.

Aus Sicht von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ist die Stillhaltezusage kein Grund zur Aufregung: „Das ist die Normalität im Verfahren“, sagte der CSU-Politiker. Bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts werde die Einstufung des Antragstellers im Eilrechtsverfahren einstweilig auf der vorausgegangenen Einstufung festgehalten. Dies treffe in diesem Fall auch auf die AfD zu.

Gesamtes Verfahren kann Jahre dauern

Wie lange das Eilverfahren dauert, ist offen. Zunächst muss das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Stellungnahme dazu an das Gericht schicken. Dafür hat die Behörde nach früheren Angaben einer Gerichtssprecherin noch bis Ende übernächster Woche Zeit. Das eigentliche Verfahren kann dann Wochen oder Monate dauern. Und schließlich folgt noch das Verfahren in der Hauptsache. Der Rechtsstreit um die Frage, ob die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden darf, könnte sich über mehrere Jahre hinziehen. 

Erinnert an noch laufenden Rechtsstreit mit dem Verfassungsschutz

So ähnlich lief es auch schon bei der Einstufung zum sogenannten Verdachtsfall. Auch dagegen hatte die Partei geklagt. Der Verfassungsschutz hatte auch hier im Januar 2021 eine Stillhaltezusage abgegeben. Nach einem langen Verfahren unterlag die AfD schließlich vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu dem Schluss kam, dass die AfD zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde. Doch der Rechtsstreit dauert an. Denn die Partei legte Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht ein, das noch nicht entschieden hat. 

Bei einer Einstufung als Verdachtsfall kann der Verfassungsschutz bereits nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, also etwa Observationen, Bild- und Tonaufnahmen oder sogenannte V-Leute - Vertrauensleute, die Informationen liefern. Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel. 

Höherstufung nach mehrjähriger Prüfung

Der Verfassungsschutz hatte am 2. Mai nach mehrjähriger Prüfung bekanntgegeben, die AfD fortan als gesichert rechtsextremistische Bestrebung zu führen. Der Schritt hatte eine neue Debatte über ein mögliches AfD-Verbot ausgelöst. Begründet hatte die Behörde ihre neue Bewertung vor allem mit einem in der Partei vorherrschenden ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff. Kritisch sieht der Verfassungsschutz zum Beispiel Aussagen von AfD-Funktionären wie „Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel“.