Merz bei Trump 7 Lehren aus 17 Stunden in Washington
Viele Freundlichkeiten, keine Konfrontation: Kanzler Merz hat seine Bewährungsprobe in Trumps Arena in Washington bestanden. Damit ist aber noch kein einziges Problem mit den USA gelöst.

Washington/Berlin - Friedrich Merz ist zufrieden. Ziemlich zufrieden sogar. Als der Kanzler am Donnerstagnachmittag nach seinen zweieinhalb Stunden mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus vor der Kulisse des kolossalen Lincoln Memorials in Washington ein Interview nach dem anderen gibt, zieht er eine durchweg positive Bilanz. „Wir haben heute ein Fundament gelegt für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche“, sagt der CDU-Chef der ARD.
Im politischen Washington ist sein Besuch zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder vergessen. Während Merz über den Handelskonflikt, den Krieg in der Ukraine und die Nato räsoniert, dreht sich dort alles nur noch um eins: die Fehde zwischen Trump und seinem Ex-Regierungsberater Elon Musk. Was hat der etwas mehr als 17-stündige USA-Besuch von Merz also letztlich gebracht und was nicht? Sieben Erkenntnisse.
Merz mittendrin und doch nur dabei
Ein Schicksal teilen alle Besucher im Oval Office des Weißen Hauses: Sie bleiben in gewisser Weise Statisten. Das mit viel Gold aufgemotzte Büro des US-Präsidenten ist die Bühne von Donald Trump. Dort hat der US-Präsident den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedemütigt und den südafrikanischen Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa auflaufen lassen. Das bleibt Merz zwar erspart. Bei der Pressebegegnung ist der Kanzler des wirtschaftsstärksten Landes Europas trotzdem eine Randfigur, während Trump sich zu einem großen Teil über US-Innenpolitik auslässt.
Merz erträgt es geduldig. „Das war ja keine Pressekonferenz, das war eine gute Show im Oval Office“, sagt er nach seiner Rückkehr bei einer Wirtschaftsveranstaltung in Berlin. Für ihn war das anschließende Mittagessen (Steak mit Kartoffeln, Cream-Donut und Coca Cola) wichtiger, bei dem die Redeanteile gleichmäßig verteilt gewesen sein sollen und Trump auch zugehört und Nachfragen gestellt haben soll.
Die Chemie zwischen den beiden stimmt
Das wichtigste Ergebnis der ersten Begegnung ist aber: Die beiden haben einen Draht zueinander gefunden. Trump gab sich betont freundlich, machte Merz Komplimente für sein gutes Englisch und vermied jede Konfrontation. Er bezeichnete den CDU-Politiker als „respektierten“ und „guten Mann“ und versprach: „Wir werden eine großartige Beziehung zu Ihrem Land haben.“
Merz dankte ihm das, indem er ihm bei seinen Ausführungen zu Elon Musk, Joe Biden oder Wladimir Putin nicht in Parade fuhr. „Hören wir mal auf, mit erhobenem Zeigefinger und gerümpfter Nase über Donald Trump zu reden. Man muss mit ihm reden und nicht über ihn reden“, sagte er später.
Der Kanzler will zu einem, wenn nicht sogar zu dem wichtigsten Ansprechpartner für Trump in Europa werden. Bisher waren das der französische Präsident Emmanuel Macron und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Telefonnummer Europas auf Trumps Handy könnte nun die von Merz werden.
Deutschland ist nicht mehr der „Prügelknabe“ Trumps
In der ersten Amtszeit war Deutschland so etwas wie der „Prügelknabe“ Trumps. Vor allem die Verteidigungsausgaben der größten europäischen Volkswirtschaft, die damals weit hinter den Nato-Zielen hinterherhinkten, kritisierte er genüsslich. Das klingt jetzt anders. „Ich weiß, dass Sie jetzt mehr Geld für die Verteidigung ausgeben – und zwar ziemlich viel mehr. Das ist eine positive Sache“, sagte Trump im Oval Office. Und von der drastischen Reduzierung der US-Truppen in Deutschland, mit der er in seiner ersten Amtszeit gedroht hat, ist jetzt auch keine Rede mehr.
Das Eskalationspotenzial blieb ungenutzt
Bei der Pressebegegnung im Oval Office waren auch Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio an der Seite des Präsidenten - jene Regierungsmitglieder also, die zuletzt Deutschland und anderen europäischen Verbündeten die Beschneidung der Meinungsfreiheit und die Ausgrenzung von Parteien wie der AfD vorgeworfen hatten. Merz hatte noch unmittelbar vor seinem Treffen mit Trump deutlich gemacht, dass er auf wiederholte Anwürfe vorbereitet ist. Er werde „sehr klar“ seine Meinung sagen, wenn es notwendig sei.
Es war nicht notwendig - das Thema kam nicht zur Sprache. Weder in der Pressebegegnung noch beim gemeinsamen Mittagessen. In einem Interview von CNN schlussfolgerte Merz daraus, dass man sich in den USA inzwischen etwas klarer darüber sei, „was für eine Art Partei diese sogenannte Alternative für Deutschland wirklich ist“.
Im Zollstreit gibt es keine greifbaren Fortschritte
Bei den Konfliktthemen kamen Trump und Merz allerdings nicht wesentlich voran. Bis zum 9. Juli ist noch Zeit, US-Zölle von 50 Prozent auf Waren aus der EU zu verhindern. Die Verhandlungen mit den USA führt die EU-Kommission. Merz sah sich da in den USA allenfalls in der Rolle, die Schärfe aus dem Streit zu nehmen.
Zur Verbesserung des deutsch-amerikanischen Handelsaustauschs gab es immerhin eine konkrete Vereinbarung - die Einzige während des Antrittsbesuchs: Zwei Beauftragte des Weißen Hauses und des Kanzleramts sollen sich ab sofort um eine bessere Koordination der Wirtschaftsbeziehungen kümmern. „Dafür war das Mittagessen Gold wert“, sagte Merz.
Die Ukraine-Diplomatie stockt
Für den Ukraine-Krieg bot die Begegnung im Oval Office dagegen ein sehr düsteres Bild. Es wurde noch einmal sehr deutlich, dass die diplomatischen Bemühungen der USA und der Europäer ins Leere gelaufen sind. Trump fasste das in einem erschütternden Vergleich zusammen: „Manchmal sieht man zwei kleine Kinder, die sich wie verrückt streiten“, sagte er, während Merz regungslos daneben saß. „Sie wollen nicht auseinandergezogen werden. Manchmal ist es besser, sie eine Weile kämpfen zu lassen und sie dann auseinanderzuziehen.“
Zu mehr Druck auf den russischen Präsidenten Putin über neue Sanktionen oder mehr militärische Unterstützung - wie es die Europäer fordern - zeigte sich Trump nicht bereit.
Den Ortsnamen Kallstadt muss man sich merken
Dem ersten Treffen werden schon bald weitere folgen. Im Juni sehen sich die beiden erst beim G7-Gipfel in Kanada und dann beim Nato-Gipfel in Den Haag. Aber das ist noch nicht alles. Trump hat laut Merz eine Einladung zu einem Deutschlandbesuch angenommen. In seiner ersten Amtszeit war er nur beim G20-Gipfel in Hamburg. Einen ordentlichen bilateralen Besuch gab es noch nicht.
„Er wird nach Deutschland kommen. Wir gucken jetzt nach einem Termin“, sagte Merz in einem Interview von RTL/ntv. Der Kanzler will den US-Präsidenten nach Kallstadt an der Weinstraße lotsen, dem Heimatort von Trumps Vorfahren in der Pfalz, der im Kreis Bad Dürkheim liegt. Die Bürgermeisterin von Bad Dürkheim, Natalie Bauernschmitt (CDU), freut sich schon. „Jetzt haben wir es sozusagen auf die weltpolitische Bühne geschafft“, sagte sie dem Radiosender RPR1.