US-Außenpolitik Bidens Nahost-Besuch: Kein Vakuum für China und Russland
Der US-Präsident repariert die Bündnisse, die Vorgänger Trump zertrümmerte - auch im Nahen Osten. Russland und China sollen keinen Raum haben, ihren Einfluss auszudehnen. Zuhause dankt Biden kaum jemand.

Dschidda - Vor allem ein Bild wird von Joe Bidens erster Nahost-Reise als US-Präsident im Gedächtnis bleiben: Wie er den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Dschidda per „Fist Bump“ begrüßt. Jenen Mann also, von dem Biden im Wahlkampf versprochen hatte, ihn wegen des Mordes am „Washington Post“-Kolumnisten Jamal Khashoggi zum „Außenseiter“ zu machen.
„Washington Post“-Herausgeber Fred Ryan nannte die Szene „beschämend“. Greifbare Ergebnisse, die der US-Präsident Kritikern entgegensetzen könnte, brachte die Reise wenige. Dennoch hat Biden ein Ziel erreicht: Allianzen der USA im Nahen Osten zu zementieren - kurz vor dem Besuch von Kremlchef Wladimir Putin im Iran.
Eiserne Geschlossenheit der G7
Außenpolitisch verfolgt Biden seit seinem Einzug ins Weiße Haus vor eineinhalb Jahren vor allem ein Vorhaben: Die unter seinem Vorgänger Donald Trump zerrütteten Beziehungen zu Verbündeten zu kitten. Dabei wird Biden von europäischen Regierungsvertretern ein glänzendes Zeugnis ausgestellt, wenn auch mit Ausnahme des Debakels in Afghanistan.
Die G7-Gruppe führender demokratischer Industrienationen trat bei ihrem Gipfel im vergangenen Monat in Bayern in eiserner Geschlossenheit auf, die Nato in Madrid unmittelbar danach ebenfalls - was vor allem angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von erheblicher Bedeutung ist. Trump hatte beide Bündnisse mit seiner „America First“-Politik an die Belastungsgrenze gebracht.
Biden ist es nicht nur gelungen, die G7 und die Nato zu einen. Im Ukraine-Krieg ist er der unumstrittene Anführer des Westens gegen Russland. Seit der russischen Invasion im Februar haben die USA der Ukraine Waffen und Ausrüstung für mehr als 7,3 Milliarden Dollar zugesagt, ein Vielfaches der zögerlichen deutschen Unterstützung. Bidens Regierung machte schon viele Wochen vor Kriegsbeginn Geheimdienstinformationen über russische Einmarschpläne öffentlich. Kritiker sahen darin Kriegstreiberei, aber die Amerikaner sollten recht behalten. Nach früheren Debakeln ihrer Informationspolitik etwa beim Irak haben sie damit einiges an Vertrauen zurückgewonnen.
Europa - Asien - Amerika - Nahost
Biden war bereits zwei Mal in Europa, um das transatlantische Bündnis zu festigen. Im Mai reiste er nach Japan und Südkorea. Im Juni war er Gastgeber eines Amerika-Gipfels in Los Angeles. Jetzt stand mit Israel und Saudi-Arabien der Nahe Osten auf dem Programm, in Dschidda nahm er am Gipfel des Golf-Kooperationsrats teil. Bei vielen dieser Treffen hat er die Verbündeten nicht nur vereint, sondern auch vernetzt. So waren etwa bei den Gipfeln der G7 und der Nato Partnerländer aus Asien eingeladen. Bei Bidens Jerusalem-Besuch gab es einen Online-Gipfel eines neuen Zusammenschlusses aus den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und Indien („I2U2“).
Ein Kernthema von Bidens Präsidentschaft ist der Wettbewerb der Systeme, er ist überzeugt, dass Demokratien autoritären Regimen überlegen sind. Das erklärte Ziel des US-Demokraten: Er will den globalen Einfluss Russlands und Chinas zurückdrängen und eine Front gegen den Iran schmieden. Als Biden wegen seines Treffens mit dem Kronprinzen kritisiert wurde, sagte er in Dschidda: „Unterm Strich geht es bei dieser Reise einmal mehr darum, Amerika in dieser Region für die Zukunft zu positionieren. Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das Russland oder China füllen können.“
Bilanz der wichtigsten Punkte
Darin liegt allerdings eins von Bidens Problemen: Er ist zwar ein versierter Außenpolitiker, der 79-Jährige ist seit Jahrzehnten in dem Geschäft unterwegs. Die Wähler interessieren sich aber fast gar nicht für die Belange außerhalb der USA. Das Thema, das ihnen laut Umfragen am meisten auf der Seele brennt, ist die Preissteigerung, die sich in den USA besonders an der Zapfsäule bemerkbar macht.
Als bei Bidens Ankunft am Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv die US-Nationalhymne gespielt wurde, lief die Eilmeldung über die Ticker, dass die Inflationsrate in den USA auf 9,1 Prozent gestiegen ist - der höchste Wert seit mehr als 40 Jahren. Die Inflation dürfte ein gewichtiger Faktor dafür sein, warum viele Amerikaner mit ihrem Präsidenten so unzufrieden sind. Bidens Umfragewerte sind so schlecht wie bei fast keinem seiner Vorgänger seit dem Zweiten Weltkrieg zu dieser Zeit im Amt. Selbst Trump schnitt damals deutlich besser ab.