Präsidentenwahl Bolivien: Stichwahl zwischen zwei Oppositionskandidaten
Bolivien steht vor einem politischen Richtungswechsel: Bei einer Stichwahl im Oktober entscheidet sich, wer von den zwei aussichtsreichsten Oppositionskandidaten neuer Präsident wird.

La Paz - In Bolivien wird laut vorläufigen Ergebnissen eine Stichwahl über die künftige Staatsführung entscheiden. Keiner der Bewerber erreichte im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit, wie die Wahlbehörde nach Auszählung von etwa 90 Prozent der Stimmen mitteilte. Klar ist aber schon jetzt, dass nach fast zwei Jahrzehnten linker Regierungen ein politischer Richtungswechsel in dem südamerikanischen Land bevorsteht.
Am 19. Oktober treten die beiden Kandidaten gegeneinander an, die im ersten Durchgang die meisten Stimmen erhielten. Dies sind Senator Rodrigo Paz Pereira von der christlich-demokratischen Partei „Partido Demócrata Cristiano“, die der politischen Mitte zugerechnet wird, und Ex-Präsident Jorge Quiroga von der rechtsgerichteten Partei „Libertad y Democracia“ (Freiheit und Demokratie).
Globale Bedeutung und Chancen für Deutschland
Der sich abzeichnende politische Richtungswechsel zieht auch international Aufmerksamkeit auf sich: Das südamerikanische Land verfügt über die weltweit größten Lithiumreserven. Lithium ist ein zentraler Rohstoff für E-Autos und Batterien. Für die globale Energiewende spielt es deswegen eine wichtige Rolle.
Die Förderung kommt allerdings bislang nur langsam voran, ein Regierungswechsel könnte Investitionen erleichtern. „Man sitzt in den Startlöchern“, sagt Bolivien-Expertin Christina Stolte von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Blick auf deutsche Unternehmen.
Wirtschaftskrise, hohe Armut und politischer Machtkampf
Bolivien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise: Benzin- und Devisenmangel, hohe Inflation und fehlende Medikamente prägen den Alltag. Die linke Regierung setzte stark auf Subventionen, vor allem für Treibstoffe, was den Staatshaushalt belastete.
Zudem gehört Bolivien zu den ärmsten Ländern Südamerikas, besonders betroffen sind ländliche und indigene Regionen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist hoch, und wegen der schlechten Wirtschaftslage kommt es immer wieder zu Protesten. Rund 12 Millionen Menschen leben in dem Binnenstaat, der etwa dreimal so groß wie Deutschland ist.
Die Politik war lange vom Machtkampf zwischen Ex-Präsident Evo Morales und dem scheidenden Staatschef Luis Arce der linken Partei „Movimiento al Socialismo“ (MAS) geprägt - beide traten aus unterschiedlichen Gründen nicht an.
Arce zog sich vor der Wahl wegen sinkender Beliebtheit zurück. Morales durfte wegen der verfassungsrechtlichen Amtszeitbegrenzung nicht mehr antreten. Zudem sieht er sich einem Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen ausgesetzt und hält sich deswegen seit Monaten in seiner Hochburg in Cochabamba auf, wo ihn Anhänger schützen.
Zwei moderate Oppositionskandidaten treten an
Vor diesem Hintergrund treten in der Stichwahl zwei erfahrene Oppositionspolitiker gegeneinander an: Rodrigo Paz Pereira, Sohn des früheren Präsidenten Jaime Paz Zamora (1989–1993), plant, die politische Tradition seiner Familie fortzusetzen und die Wirtschaft zu öffnen. Der Ökonom setzt auf institutionelle Reformen und ein moderates Modernisierungsprogramm, das ausländische Investitionen erleichtern soll.
Quiroga, der 2001 bis 2002 kurz Präsident war, tritt mit einem wirtschaftsliberalen Kurs an. Der Wirtschaftsingenieur will den defizitären Staatssektor verkleinern, selektive Privatisierungen umsetzen und Treibstoffsubventionen schrittweise reduzieren. Zudem zeigt er sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF).
Neben Quiroga galt ursprünglich der Unternehmer Samuel Doria Medina als Favorit für die Stichwahl. Dass sich nun Paz durchgesetzt hat, gilt als Überraschung.
Stabilität statt radikalen Umbruch
Anders als in Argentinien mit dem radikalen Kurs von Präsident Javier Milei strebt die bolivianische Wählerschaft laut KAS-Expertin Stolte „keine Revolution, sondern Stabilität“ an. Die ethnische Zugehörigkeit spiele politisch kaum noch die Rolle wie unter Morales, der als erster indigener Präsident 13 Jahre regierte (2006 bis 2019).
Laut Volkszählung 2012 sind 41 Prozent der Bolivianer über 15 Jahre indigener Herkunft, Schätzungen von 2017 gehen von etwa 48 Prozent aus. Schon vor der Wahl kündigten viele Indigene, die früher zur MAS gehörten, ihre Unterstützung für die Opposition an.
Auch das Parlament wurde neu gewählt
Am Rande der Abstimmung kam es zu Zwischenfällen. Der linke Kandidat Andrónico Rodríguez wurde nach seiner Stimmabgabe von mutmaßlichen Anhängern des Ex-Präsidenten Morales mit Steinen attackiert. Wenige Stunden zuvor war am selben Ort die Detonation eines Sprengsatzes gemeldet worden. Über Verletzte lagen zunächst keine Informationen vor. Neben der Präsidentenwahl wurde auch ein neues Parlament bestimmt.