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Kampf gegen Hass im Netz Bundesregierung: US-Sanktionen gegen HateAid inakzeptabel

Die Regierung von Donald Trump wirft „Ideologen in Europa“ Zensur vor und erlässt Einreiseverbote gegen Gruppen, die sich gegen Hass im Netz einsetzen. Berlin, Paris und Brüssel reagieren scharf.

Von dpa Aktualisiert: 24.12.2025, 13:56
Die Geschäftsführerin von HateAid, einer Hilfsorganisation gegen Hass im Internet, Anna-Lena von Hodenberg, und ihre Kollegin Josephine Ballon sind von der US-Regierung wegen Zensur-Vorwürfen mit Einreiseverboten belegt worden.
Die Geschäftsführerin von HateAid, einer Hilfsorganisation gegen Hass im Internet, Anna-Lena von Hodenberg, und ihre Kollegin Josephine Ballon sind von der US-Regierung wegen Zensur-Vorwürfen mit Einreiseverboten belegt worden. Soeren Stache/dpa

Berlin - Die EU-Kommission und Vertreter der Bundesregierung haben Zensur-Vorwürfe der US-Regierung zurückgewiesen und Einreiseverbote gegen die Geschäftsführerinnen der gegen Hass im Internet eintretenden deutschen Beratungsstelle HateAid und andere Europäer scharf kritisiert. „Nach welchen Regeln wir in Deutschland und in Europa im digitalen Raum leben wollen, wird nicht in Washington entschieden“, erklärte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) in Berlin. Außenminister Johann Wadephul (CDU) nannte die Einreiseverbote nicht akzeptabel. 

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X: „Diese Maßnahmen kommen Einschüchterung und Zwang gleich, die darauf abzielen, die europäische digitale Souveränität zu unterwandern.“ Die Regelungen des Digital Services Act (DSA), mit dem Online-Plattformen in der EU reguliert werden, seien durch einen demokratischen Prozess getroffen worden und dürften nicht von außerhalb Europas bestimmt werden. Es gehe darum, dass auch online illegal sei, was offline illegal ist.

EU-Kommission droht USA wegen Einreiseverboten

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen drohte Vergeltungsmaßnahmen an. Man verurteile die Entscheidung der USA aufs Schärfste und habe Klarstellungen erbeten, teilte die Behörde in Brüssel mit. Falls erforderlich, werde man rasch und entschlossen reagieren, um das Recht zu verteidigen, seine eigenen Regeln festzulegen. Wie sie genau auf die Anreiseverbote reagieren könnte, erläuterte die EU-Kommission zunächst nicht.

Wadephul: Alles, war offline illegal ist, ist es auch online

Der deutsche Außenminister schrieb auf X, der von der US-Regierung scharf attackierte Digital Services Act stelle sicher, „dass alles, was offline illegal ist, auch online illegal ist“. Er sei von der Europäischen Union für die EU demokratisch beschlossen worden und wirke nicht extraterritorial, betonte Wadephul. „Andere Auffassungen wollen wir mit den USA grundsätzlich im transatlantischen Dialog klären, um unsere Partnerschaft zu stärken.“ 

HateAid spricht von „Akt der Repression“

Die US-Regierung hatte die Einreiseverbote gegen die HateAid-Geschäftsführerinnen Josephine Ballon und Anna-Lena von Hodenberg ebenso wie gegen drei andere Europäer mit angeblicher Zensur von US-Online-Plattformen begründet. Ballon und von Hodenberg sprachen in einer ersten Reaktion von einem „Akt der Repression“.

Vom Einreiseverbot ist auch der frühere französische EU-Kommissar Thierry Breton betroffen, der als einer der Architekten des Digital Services Act gilt. Das Gesetzespaket und dessen praktische Anwendung - im Fall der Plattform X von US-Außenminister Marco Rubio als „Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen und das amerikanische Volk durch ausländische Regierungen“ bezeichnet - soll verhindern, dass im Internet ein rechtsfreier Raum entsteht.

Breton verglich die US-Sanktionen mit der „Hexenjagd“ auf vermeintliche Kommunisten zu Zeiten der berüchtigten McCarthy-Ära in den USA, in der viele Menschen zu Unrecht ins Visier der Staatsgewalt gerieten. Auf der Plattform X schrieb er: „An unsere amerikanischen Freunde: Die Zensur findet nicht dort statt, wo ihr sie wähnt.“

US-Regierung sind EU-Digitalgesetze ein Dorn im Auge

Die US-Regierung fordert seit längerem Änderungen an den strengen EU-Digitalgesetzen, die zum Beispiel die Verbreitung von Falschinformationen über Plattformen wie X verhindern sollen und auch Unternehmen wie Amazon, Apple und Meta (Facebook), Alphabet (Google) und Microsoft betreffen. Die EU-Kommission betont immer wieder, dass diese nur einen fairen Wettbewerb und den Schutz von Kindern und demokratischen Wahlen garantieren sollen.

Das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpflichtet Plattformen beispielsweise dazu, einfache Verfahren zum Melden illegaler Inhalte, Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Zudem müssen sie Maßnahmen ergreifen, um Minderjährige vor Glücksspielen oder Pornografie zu schützen.

Ministerium: Förderung von HateAid, aber kein Einfluss

Die deutsche Justizministerin Hubig erklärte in Berlin, HateAid leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass Persönlichkeitsrechte auch im digitalen Raum geschützt würden. „Wer das als Zensur bezeichnet, stellt unser rechtsstaatliches System falsch dar.“ Hubigs Ministerium fördert nach eigenen Angaben seit 2020 eine Beratung durch HateAid für Betroffene von digitaler Gewalt. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Organisationen gefördert werden, treffe final der Haushaltsgesetzgeber, also der Bundestag. Das Ministerium habe auf die Geschäftsführung von HateAid keinen Einfluss.

Nouripour fordert Einbestellung des US-Geschäftsträgers

Bundestags-Vizepräsident Omid Nouripour forderte die Einbestellung des Geschäftsträgers der US-Botschaft in Deutschland, Alan Meltzer. „Hier geht es um den Schutz deutscher Staatsbürger“, sagte der Grünen-Politiker. Die förmliche Einbestellung gilt als scharfes diplomatisches Mittel, mit dem die Regierung des Gastlandes eine deutliche Verstimmung signalisiert.

HateAid: USA stellen Europas Souveränität in Frage

Die HateAid-Geschäftsführerinnen Ballon und von Hodenberg erklärten auf dpa-Anfrage zum Einreiseverbot: „Wir sind nicht überrascht. Es ist ein Akt der Repression einer Regierung, die zunehmend Rechtsstaatlichkeit missachtet und versucht, ihre Kritiker mit aller Härte zum Schweigen zu bringen.“ Die US-Regierung versuche mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich US-Konzerne in Europa an geltendes Recht halten müssten, und stelle damit „die europäische Souveränität infrage“. Damit sei eine neue Eskalationsstufe erreicht.

HateAid bietet psychologische und rechtliche Unterstützung für Menschen an, die im Internet diskriminiert, beleidigt, bedroht oder angegriffen werden. Im Oktober wurde von Hodenberg für ihre Arbeit mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet. Damals hieß es, sie habe 2018 mit der Gründung von HateAid Pionierarbeit geleistet.

US-Regierung nimmt Musk-Kritiker ins Visier

Sanktionen verhängte die US-Regierung auch gegen die Gründerin des britischen Global Disinformation Index (GDI), Clare Melford, und den Gründer des in den USA und Großbritannien tätigen Center for Countering Digital Hate (CCDH), Imran Ahmed. Der Brite lebt der Organisation zufolge in Washington, ihm droht nun die Abschiebung aus den USA. Beide setzen sich gegen Hass und Desinformation im Internet ein. X-Eigentümer Elon Musk hatte das Center for Countering Digital Hate als „kriminelle Organisation“ bezeichnet.