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CDU-Gesundheitspolitiker Sorge Corona-Panikmache darf sich nicht wiederholen

Nur mit Mühe geht die Gesundheitsreform in Deutschland voran. Der Magdeburger CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge verweist auf Versäumnisse von Minister Karl Lauterbach (SPD).

Von Steffen Honig 19.09.2023, 18:00
Tino Sorge (CDU)
Tino Sorge (CDU) Foto: Uli Lücke

Magdeburg - Volksstimme: Es gibt im deutschen Gesundheitswesen wie immer Baustellen. Was ist für Sie momentan die Wichtigste?

Tino Sorge: Wir sehen, dass es an allen Ecken und Enden brennt. Das liegt auch daran, dass die Ampel Probleme auf die lange Bank schiebt und bei ihren Haushaltsberatungen den finanziellen Kollaps des Gesundheitswesens in Kauf nimmt. Das erleben wir bei der Pflege, den Krankenkassenbeiträgen und in den Krankenhäusern. Es ist eine völlig chaotische Politik.

Ein Beitrag zum Chaos: Sie haben Gesundheitsminister Karl Lauterbach vorgeworfen, dass das Transparenzgesetz vor der Krankenhausreform und der Notfallreform kommt. Welchen Plan würde die Union dagegensetzen?

Wir hätten einen kooperativen Ansatz gewählt, gemeinsam mit den Ländern. Die Reform ist ein föderales Projekt. Man hätte von vornherein die Krankenhäuser und die Bundesländer mit an den Tisch holen müssen. Das Problem bei der Reform ist, dass Lauterbach über die Länder und über die wichtigen Ansprechpartner hinweg eine Regierungskommission eingesetzt hat. Die zentralen Akteure vor Ort – auch in Sachsen-Anhalt – waren lange Zeit außen vor. Vom Minister wurden sie teilweise als Lobbygruppen verschrien. Von seinen Reformideen erfuhren sie dann aus der Presse. Länder und Kliniken haben völlig zurecht gesagt, dass es so nicht geht.

Welche Folgen erwarten Sie?

Minister Lauterbach kommt bei seiner Reform nicht weiter, präsentiert aber trotzdem schon das nächste Gesetz. Er geht den zweiten Schritt vor dem ersten. Vor allem lässt er Kliniken im Stich, die bereits heute gefährdet sind: Es gibt Häuser, die sich mit Mühe und Not über Wasser halten, während andere schon jetzt in Insolvenz gehen. All das, lange bevor die Reform überhaupt in Kraft treten wird. Wir brauchen ein Vorschaltgesetz für die Übergangsphase, sonst droht uns ein kalter Strukturwandel.

Kann die Krankenhausreform mit der Ausdünnung der medizinischen Angebote in der Fläche funktionieren?

Klar sein muss: Krankenhausplanung ist Landes- und nicht Bundeskompetenz. Die Länder brauchen für den lokalen Bedarf in ihren Regionen auch Öffnungsklauseln. Sie müssen vor Ort abweichend von starren Regelungen entscheiden können, dass ein Haus so wichtig ist, dass es um jeden Preis erhalten bleiben muss. Für die ländlichen Räume ist das elementar.

Können Sie ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt geben, wo es hakt?

Ärgerlich ist, dass die Probleme wieder mit Ansage kommen.

Tino Sorge (CDU)

Problematisch ist die Versorgung mit Arzneimitteln, insbesondere bei Kindermedikamenten. Sie werfen hier Lauterbach Aktionismus vor.

Was wäre zu tun?

Kurz vor Weihnachten 2022 haben wir Herrn Lauterbach wegen der Engpässe bei Fieber- und Hustensäften empfohlen, er solle einen Arzneimittel-Gipfel mit allen Akteuren einberufen. Auch, damit Deutschland international besser agieren und mit Großhändlern und Apotheken mehr Arzneimittel beschaffen kann. Das hat der Minister nicht getan – stattdessen lud er kürzlich mit nur einem Tag Vorlauf zu einer Alibi-Veranstaltung mit der Presse ein. Ärgerlich ist, dass die Probleme wieder mit Ansage kommen. Wenn die Erkältungssaison anbricht, steigt auch der Bedarf an entsprechenden Medikamenten, gerade auch an Kindermedikamenten.

Das Lieferengpassgesetz aus dem Sommer ist verpufft. Wir müssen die Rabattverträge überarbeiten und das Prinzip „Geiz ist geil“ überwinden. Es müssen bei Mehrfachvergaben auch europäische, verlässlichere Hersteller zum Zuge kommen. Liefersicherheit muss ein Hauptkriterium werden, nicht immer nur der Preis. Wir wollen die Arzneimittelproduktion in der EU fördern. Zudem müssen wir ein Frühwarnsystem mit anderen europäischen Staaten einrichten.

Auch die Apotheker und ihre Mitarbeiter, auf deren Schultern sich der Verteilungskampf um die Arzneimittel abspielt, laufen Sturm.

Das Gesundheitssystem ist zu sehr von Misstrauen geprägt. Die Apotheken leisten großartige Arbeit, aber haben mit außergewöhnlich viel Bürokratie zu kämpfen. Seit zehn Jahren sind die Honorare nicht erhöht worden, wir sehen die Inflation, erhöhte Personal- und Sachkosten. Oft müssen die Apothekerinnen und Apotheker dann noch herumtelefonieren, wenn es um hunderte Medikamente geht, die momentan fehlen. Da muss man gegensteuern.

Der neue Corona-Impfstoff kommt in die Arztpraxen. Welchen Erfolg könnte eine neue Impfkampagne haben, wenn es ernst wird?

Zum Glück gibt es aktuell keinen Grund zur Besorgnis. Die Impfkampagne kann immer nur so erfolgreich sein wie der Impfstoff selbst. Wenn der Impfstoff gut ist, wird das die Menschen überzeugen. Es ist sinnvoll, wenn Angehörige von Risikogruppen dann über eine Impfung nachdenken. Aber eine Panikmache, wie wir sie in früheren Jahren mit Karl Lauterbach erlebt haben, darf sich nicht wiederholen. Nicht Zwang ist nötig, sondern gute Argumente und Augenmaß. Das gilt übrigens nicht nur für die Corona-Politik.