Robert Habeck „Die AfD ist teils faschistisch“
Wirtschaftsminister Habeck im Interview der „Zeit“: Trotzdem rede ich mit deren Wählern

Hamburg - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat in einem Interview mit der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag) bestritten, dass in Deutschland im Augenblick wenig funktioniere: „Die Wahrheit ist, dass wir als Land aus einer politischen Bequemlichkeit aufschrecken. Das ist ja für sich genommen schon eine Zumutung – sich selbst zu sagen, da haben wir alle nicht genau hingeschaut, da waren wir zu selbstvergessen, zu träge, vielleicht auch zu denkfaul. Wir sind jetzt konfrontiert mit der zwingenden Notwendigkeit, Dinge anders zu machen: die Zuwanderung zu organisieren, die Energieversorgung umzustellen, bis hin zum Stellenwert des Militärs, das auf einmal wieder eine Bedeutung hat.“
Habeck widersprach Darstellungen, dass die deutsche Wirtschaft ein „kranker Mann“ in Europa sei: „Krank sind wir nicht, aber etwas untertrainiert.“ Deutschland müsse daher an seiner „Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, hart arbeiten“.
Konkret müssten Investitionshemmnisse weggeräumt, Bürokratie müsse reduziert und bei den unzähligen Berichtspflichten entschlackt werden, verlangte der Grünen-Politiker. „Da ist ein politischer Schlendrian gewesen, und der muss jetzt beseitigt werden.“
Forderungen nach einer Aussetzung der Schuldenbremse schloss sich Habeck nicht an. Er gehe vielmehr davon aus, dass die Schuldenbremse bis zum Ende der Legislaturperiode eingehalten werde, „vorausgesetzt, es passiert nichts Unvorhergesehenes“, sagte der Minister. Ein erneutes Aussetzen, „das geben die wirtschaftlichen Daten nicht her, und der Koalitionsvertrag tut es auch nicht“.
Habeck warnte vor weiterem öffentlichen Streit in der Ampel-Koalition. Auch die AfD lasse sich am besten durch „spürbare, greifbare Erfolge“ bekämpfen. Damit diese öffentlich wahrgenommen werden, dürfe es keinen Streit oder gegenseitiges Schlechtreden in der Koalition geben. Davon profitiere niemand.
Für den Umgang mit der AfD empfahl Habeck mehr Gespräche auch mit AfD-Wählern. „Alles, was ich von der AfD weiß, halte ich für falsch, teilweise für verschwörungstheoretisch, für demokratiefeindlich, teils für faschistisch“, sagte der Grünen-Politiker. „Mit den Menschen, die diese Partei wählen, kann ich trotzdem reden“, fügte er aber hinzu.
Habeck bekräftigte die Klima- und CO2-Politik der Ampel: „Wir müssen da rangehen – oder wir sagen, wir geben die Klimaschutzziele auf. Dann wiederum werden andere Länder das auch tun.“ Auf den Einwurf von Chefredakteur Giovanni de Lorenzo, dass Deutschland weniger als zwei Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß hat, China dagegen 32 Prozent, aber die Bürger sich bei Fleisch und Grillen einschränken sollen, antwortete der Grünen-Politiker: „Grillen können alle, wie sie wollen, von mir aus ... Die politische Aufgabe ist es, eine bessere Politik zu machen, nicht den besseren Menschen zu erziehen.“
Seine Selbsteinschätzung fiel gnädig aus: „Das, was ich im Moment mache, ist das Beste, was ich in meinem bisherigen politischen Leben gemacht habe. Es bedeutet mir richtig viel, und ich bin stolz darauf. Ich habe immer viel gearbeitet, aber noch nie so viel wie in den letzten zwei Jahren. Ich weiß, wofür ich das tue. Es gibt null Hadern, null Zaudern, null Bedauern, gar nichts. Ich bin ganz verschmolzen mit der Aufgabe, die ich im Moment habe.“
Habeck gab „Zeit“-Chefredakteur di Lorenzo indirekt recht, dass seine Antworten inzwischen „sehr viel vorsichtiger“ geworden seien: „Früher habe ich für mich gesprochen, jetzt spreche ich für Deutschland.“ (uk)