Machtwechsel beim Nachbarn EU-Mittel für Polen am wichtigsten
Krzysztof Blau kennt als Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen-Anhalt die Verhältnisse in Polen genau. Er hofft, dass die Opposition ihren Wahlsieg gut nutzt.

Magdeburg - Krzysztof Blau ist Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt und ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen-Anhalt. Mit ihm sprach Steffen Honig.
Volksstimme: Glauben Sie, dass einer neuen Regierung nichts mehr im Wege steht?
Krzysztof Blau: Grundsätzlich ist das ein ganz toller Sieg der Demokratie in Polen. Das freut mich sehr, weil das ein gutes Zeichen ist in einem gewissen politischen Mainstream, in dem wir uns in Europa bewegen. Ich werde aber erst feiern, wenn die neue Regierung steht. Die Verfassung bestimmt das Verfahren für den weiteren Weg. Die PiS ist stärkste Partei geworden und hat – wenn es Präsident Duda bestimmt – auch die Möglichkeit zur Regierungsbildung. In Polen wird schon heftig debattiert, ob der Präsident diese erste Etappe übergeht und die Opposition die Bildung der Regierung beauftragt. Aber auch das ist schwierig: Die Opposition besteht aus unterschiedlichen Parteien.
Was sollte eine neue polnische Regierung zuerst anpacken?
Es wird berichtet, dass die Opposition bereits fertige Gesetzesänderungsvorschläge hat, so dass sie schnell zu Potte kommen könnte. Das Erste wird der Versuch sein, die blockierten EU-Mittel freigegeben zu bekommen. Hunderte Milliarden Euro, die Polen gehören, sind derzeit geparkt zur Wiederbelebung der Wirtschaft nach Corona.
Dafür müsste es Änderungen im Justizwesen geben.
Wir wissen, dass das, was in acht Jahren passiert ist, nicht in einem halben Jahr rückgängig gemacht werden kann. Außerdem besteht die Gefahr, dass die bisherige Regierung noch in letzten Zügen andere Richter einsetzt. Wir sollten die Erwartung auf schnelle Veränderungen dämpfen.
Die Beziehungen zu Deutschland waren bisher eisig. Was muss sich ändern und wie könnte das aussehen?
Wenn Polen eine neue Regierung bekommt unter Tusk oder jemand anderem, muss politisch abgerüstet werden. Trotzdem müssen Dinge, die zwischen Deutschland und Polen im Wege stehen, sachlich besprochen werden. Zum Beispiel wird sich bei der Migrationspolitik nicht viel ändern. Tusk hat sich im Wahlkampf gegen unkontrollierte Zuwanderung und Umverteilung von Migranten innerhalb der EU gewandt.
Was wird aus der Forderung nach Wiedergutmachung für Kriegsschäden werden?
Ich glaube, das wird weiterverfolgt werden, aber in einem anderen politischen Diskurs. Die Forderungen, die das polnische Parlament unter Führung der PiS erhoben hat, sind fast einstimmig durch das Parlament gegangen. Es gibt verschiedene Ideen: Seitens der deutschen Politik etwa die eines Zukunftsfonds für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Das finde ich gut, denn wir als Nachbarn sind sehr voneinander distanziert in den vergangenen acht Jahren. Mit der neuen Regierung wird es leichter sein darüber zu reden, dass man nicht auf Millionen besteht, sondern in die Zukunft schaut.
Spannungen gab es auch zwischen Polen und der Ukraine. Was ist da zu erwarten?
Polen wird im Prinzip weiterhin bei der Unterstützung in führender Rolle bleiben. Die Reaktion auf ukrainische Kritik war typisch für die PiS, sie haben sich sofort auf den Schlips getreten gefühlt und Selenskyj hat meines Erachtens auch zwei Worte zu viel gesagt. Aber im Krieg liegen die Nerven blank. Die einzige Partei, die gegen die Unterstützung war, ist die „Konfederacja“, die aber nicht mit- regieren wird.
Wie geschlossen ist das siegreiche Bündnis?
Dazu ein Beispiel: Der Wählerblock innerhalb dieses Bündnisses, der der PiS die Stimmen abgejagt hat, ist der Dritte Weg. Das sind zwei Parteien: die PLS, die konservative Bauernpartei als eine der ältesten des Landes und „Polska 2050“ als junge Partei aus liberalem städtischen Umfeld. Wenn sie das Programm dieses Blocks anschauen, ist dort alles drin, was sich der Mensch so wünscht.