Nahost-Konflikt Gaza-Gespräche: Wenig Hoffnungen auf Durchbruch
Gegenseitige Schuldzuweisungen und kaum Fortschritte: Das ist seit Monaten die Bilanz der Gespräche um eine Waffenruhe in Gaza. In Doha beginnt - mit geringen Erwartungen - jetzt ein neuer Anlauf.
Doha/Gaza - Es ist erneut ein kritischer Moment im Nahen Osten: Spitzenvertreter der USA, Katars, Ägyptens sowie Israels verhandeln im Gaza-Krieg über Schritte zu einer Waffenruhe und damit einer Entschärfung der Lage in der Region insgesamt. Die islamistische Hamas äußerte sich zum Auftakt der Gespräche in Doha stark zurückhaltend. Sie nimmt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wie zuvor nicht direkt an den Verhandlungen teil, soll aber laufend über deren Inhalt informiert werden.
Bei den Gesprächen geht es neben einer erneuten Waffenruhe um den Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge. Die Positionen von Hamas und Israel scheinen aber so weit auseinander, dass wenig Hoffnung auf einen Durchbruch besteht.
Hamas will keine neuen Bedingungen aushandeln
Die Hamas werde keine neuen Bedingungen verhandeln, sagte Hamas-Sprecher Osama Hamdan der dpa. Bei den Gesprächen in Doha dürfe es nur um die Umsetzung des von US-Präsident Joe Biden bereits im Mai vorgestellten Friedensplans gehen, nicht aber um dessen Details. Am Abend mehrten sich die Zeichen, dass die Gespräche am Freitag fortgesetzt werden. Die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht voran.
Der Druck ist noch gestiegen, weil nach der Tötung zweier wichtiger Gegner Israels ein möglicherweise schwerer Vergeltungsangriff des Iran sowie der Hisbollah im Libanon gegen Israel erwartet wird. Biden hatte schon im Mai von einem „entscheidenden Moment“ gesprochen. Die Chancen, seinen in drei Phasen unterteilten Plan umzusetzen, gelten als gering. Die Vermittler USA, Katar und Ägypten bemühen sich seit Monaten, Israel und Hamas zu einer Waffenruhe wie zuletzt im vergangenen November zu bewegen.
Medien: Israel fordert Freilassung von 33 lebenden Geiseln
Aktuell soll Israel laut Berichten bei einer Waffenruhe die Freilassung von 33 lebenden Geiseln aus Gewalt der Hamas fordern. Darunter sollen Frauen und Kinder sein sowie Ältere und Kranke, berichtete die Zeitung „Jediot Achronot“ unter Berufung auf israelische Beamte, die an den Verhandlungen beteiligt sind. Der von US-Präsident Biden vorgestellte Plan sieht solche Freilassungen in einer ersten Phase während einer sechswöchigen Waffenruhe vor. Im Gegenzug würden demnach in Israel inhaftierte Palästinenser freikommen - wie bei einem ähnlichen Austausch während der Waffenruhe im November.
Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben. Die „New York Times“ hatte vor etwa drei Monaten berichtet, die Hamas habe Unterhändler informiert, dass unter 33 Geiseln für eine Freilassung in einem ersten Schritt auch Tote seien. Terroristen der Hamas und anderer Gruppen hatten am 7. Oktober 2023 im Süden Israels rund 1.200 Menschen getötet und weitere 250 entführt.
Kontrolle des Philadelphi-Korridors bleibt ein Streitpunkt
Strittig ist weiterhin die Frage, wer Gaza etwa nach einem Abzug von Israels Militär kontrollieren wird, darunter auch die wichtige Grenze zum Nachbarland Ägypten. Israels Generalstabschef Herzi Halevi erklärte beim Besuch des sogenannten Philadelphi-Korridors, die israelische Armee könne hier die Kontrolle behalten auch ohne ständige Präsenz und mit nur punktuellen Vorstößen. Die Hamas schmuggelte in diesem Gebiet nach israelischer Darstellung zuvor Waffen aus Ägypten nach Gaza, was Ägypten bestreitet. Die Hamas fordert für eine Einigung einen kompletten Abzug Israels aus dem Küstengebiet.
Militärisch habe Israel dort inzwischen alles erreicht, was möglich ist - so die Einschätzung hochrangiger US-Regierungsvertreter laut einem Bericht der „New York Times“. Israels Militär habe der Hamas schwer zugesetzt und habe wichtige Nachschubwege von Ägypten nach Gaza zerstört. Die Hamas sei stark geschwächt, Israel werde sie aber nie vollständig ausschalten können, so die Einschätzung. „Beide Seiten müssen Kompromisse eingehen“, sagte John Kirby vom Nationalen Sicherheitsrat der USA dem Fernsehsender CNN.
Hamas-Behörde: Totenzahl im Gazastreifen übersteigt 40.000
Der ranghohe Hamas-Funktionär Hamdan warf Israel vor, die Verhandlungen durch immer neue Bedingungen zu blockieren - etwa bei der Weigerung, sich vom Philadelphi-Korridor zurückzuziehen oder vom Grenzübergang Rafah. Israel „will keine Waffenruhe“, sagte Hamdan. Trotz der Bemühungen Katars, Ägyptens und der USA sei es den Vermittlern nicht gelungen, Druck auf Israel auszuüben, sich an vorgelegte Pläne für eine Waffenruhe zu halten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wies zuletzt den Vorwurf zurück, neue Bedingungen gestellt und einen Deal so blockiert zu haben. Umgekehrt beschuldigte er die Hamas, neue Forderungen erhoben zu haben. Netanjahu will die Hamas im Gazastreifen militärisch zerschlagen und sicherstellen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, das seit vielen Jahren von Israel abgeriegelte Küstengebiet zu regieren.
Israel hatte nach dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober mit verheerenden Angriffen im gesamten Gazastreifen begonnen. Die Zahl der Opfer stieg hier nach palästinensischen Angaben über 40.000 Tote und 92.400 Verletzte. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde unterscheidet bei den Zahlen nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten.