1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Linkes Zentrum Rote Flora nach Krawallen in der Kritik

Ruf nach Schließung oder Umbau Linkes Zentrum Rote Flora nach Krawallen in der Kritik

Der Druck wächst: Nach Forderungen aus der Politik wollen nun auch viele Hamburger Bürger ein Ende der Roten Flora. Im Internet gibt es Petitionen, die eine neue Verwendung des Grundstücks verlangen.

11.07.2017, 18:01
Davide Martello spielt in Hamburg vor der Roten Flora Klavier. Der Pianist spielte bereits bei den Protesten in der Türkei, der Ukraine und nach dem Anschlag in Paris. Foto: Christophe Gateau
Davide Martello spielt in Hamburg vor der Roten Flora Klavier. Der Pianist spielte bereits bei den Protesten in der Türkei, der Ukraine und nach dem Anschlag in Paris. Foto: Christophe Gateau dpa

Hamburg/Berlin (dpa) - Das linksautonome Zentrum Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel gerät nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel immer stärker unter Druck.

Nachdem aus der Politik bereits Rufe nach einer Schließung laut geworden sind, tauchen im Internet Petitionen auf, die eine Neuverwendung der Roten Flora als Kindergarten fordern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rief dazu auf, dass sich Demonstranten von gewaltsuchenden Chaoten deutlicher distanzieren.

"Ich erwarte von jedem Demonstranten, dass er sich von Vermummten fernhält. Jeder Demonstrant, der Vermummten und Chaoten Schutz und Deckung bietet, macht sich mitschuldig", sagte der CDU-Politiker im hessischen Bad Orb. Er zeigte sich schockiert über das Ausmaß der Gewalt in Hamburg und sprach von "Zerstörungswut mit Plünderungen und Brandschatzungen". De Maizière betonte: "Wichtig ist dabei, dass man nicht auf dem linken Auge blind ist." Es dürfe keine Rückzugsräume für Linksextremisten gebe, sagte er mit Blick auf die Rote Flora.

Eine Online-Petition auf der Plattform "Change.org", die bis Dienstagmittag bereits von mehr als 5700 Menschen unterzeichnet worden war, wurde vom Initiator allerdings "aus persönlichen Gründen" zurückgezogen. Ihr Ziel: Aus dem seit bald 30 Jahren besetzten ehemaligen Theater einen Kindergarten oder eine Grundschule zu machen. Grund für den Rückzug sei offenbar, dass der Initiator, der Unternehmer Alexander Tebbe, im Kurznachrichtendienst Twitter angefeindet worden sei, schrieb das "Hamburger Abendblatt".

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat die Existenz des Zentrums bereits infrage gestellt, sich aber gegen einen "Schnellschuss" ausgesprochen. Das seit fast 30 Jahren besetzte ehemalige Theatergebäude gilt als eines der wichtigsten Zentren der autonomen Szene in Deutschland. Es stand auch hinter der "Welcome to Hell"-Demonstration, bei der es am Donnerstagabend schon vor Beginn des G20-Gipfels schwere Krawalle gegeben hatte.

Flora-Anwalt Andreas Beuth ruderte bei der Bewertung der Krawalle inzwischen zurück. "Solche Aktionen sind sinnentleerte Gewalt und haben eine Linie überschritten", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Er distanziere sich auf das Schärfste von den Ausschreitungen. Die "Flora" werde den Opfern der Krawalle helfen. "Wir sind sicher nicht reich, aber werden auch finanzielle Hilfe für die stark betroffenen Geschäfte leisten. Denkbar ist etwa ein Solidaritätskonzert."

Beuth hatte Empörung ausgelöst, als er am Samstag in der ARD erklärt hatte: "Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese?"

Während CDU und AfD in Bund und Land eine Schließung der Roten Flora verlangen, die FDP "linksextremistische Strukturen" austrocknen will und auch SPD und Grüne Veränderungen fordern, lehnt die Linke ein Aus für das Autonomen-Zentrum ab. Auch Experten warnen: "Das würde einen massiven Kampf auslösen", sagte etwa der Kriminologe Christian Pfeiffer der "Passauer Neuen Presse". Der Protestforscher Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung riet im NDR-Hörfunk ebenfalls von einer Räumung der Roten Flora ab.

Scholz will an diesem Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft eine Regierungserklärung zu den Krawallen und zum Ablauf des Gipfels abgeben. Rücktrittsforderungen der Landes-CDU, die von der Bundes-CDU jedoch nicht mitgetragen werden, wies er mehrfach zurück. "Diesen Triumph werde ich den gewalttätigen Extremisten nicht gönnen", sagte er dem Magazin "Stern".

Die Elbphilharmonie kündigte derweil an, am Donnerstag ein Konzert für Polizisten zu geben, die am Wochenende im Einsatz waren. Bei einem Sonderkonzert würden alle 2000 Plätze im großen Konzertsaal an Beamte aus dem gesamten Bundesgebiet und ihre Partner vergeben - kostenlos. Auftreten werde Pianist Sebastian Knauer.

Das "Hamburger Abendblatt" hatte dazu aufgerufen, den mehr als 20 000 Polizisten für ihren Einsatz in Hamburg zu danken. Hotelketten bieten den eingesetzten Beamten nun Gratis-Übernachtungen an, von Kaufhäusern gibt es Rabatte. Nach dpa-Informationen wird es eine Sonderregelung geben, damit die Beamten solche Geschenke ausnahmsweise auch annehmen dürfen. Außerdem erhalten Polizisten aus mehreren Bundesländern drei Tage Sonderurlaub. Bei den schweren Ausschreitungen waren 476 Polizisten verletzt worden.

Verfassungsschutzbericht 2016

Kurzfassung Verfassungsschutzbericht 2016

Scholz-Interview im "Hamburger Abendblatt" - Bezahlschranke

Grote-Interview

Buch Jugendinstitut über linke Militanz im Jugendalter

Analyse "Gewalthandeln linker und rechter militanter Szenen"

SWR "Wie sich Autonome im Netz radikalisieren"

"Jungle World"-Ausgabe zu Protesten gegen G20

Artikel Abendblatt

Facebook-Post Elbphilharmonie

Petition

Alexander Tebbe auf Twitter

Petition: "Der Initiator hat diese Petition aus persönlichen Gründen zurückgezogen"

Auf der Suche nach den Krawallmachern - und nach Antworten

Was das Gipfel-Chaos für die Parteien bedeutet

Hamburgs linksautonomer Treffpunkt: die Rote Flora

Strapazen für G20-Polizisten: "Nur noch funktioniert"

Die linke Trutzburg Rote Flora unter Druck

Das autonome Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel besteht seit 30 Jahren. Foto: Christian Charisius
Das autonome Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel besteht seit 30 Jahren. Foto: Christian Charisius
dpa
Bewohner räumen in Hamburg vor der Roten Flora die Straße auf. Foto: Christophe Gateau
Bewohner räumen in Hamburg vor der Roten Flora die Straße auf. Foto: Christophe Gateau
dpa
Mitglieder des Schwarzen Blocks bei der Demonstration «G20 Welcome to Hell» am Donnerstag in Hamburg. Foto: Boris Roessler
Mitglieder des Schwarzen Blocks bei der Demonstration «G20 Welcome to Hell» am Donnerstag in Hamburg. Foto: Boris Roessler
dpa
Vermummt, schwarz, bedrohlich: Mitglieder des linksautonomen Schwarzen Blocks während der Proteste gegen den G20-Gipfel. Foto: Sebastian Willnow
Vermummt, schwarz, bedrohlich: Mitglieder des linksautonomen Schwarzen Blocks während der Proteste gegen den G20-Gipfel. Foto: Sebastian Willnow
dpa-Zentralbild
Rote-Flora-Anwalt Andreas Beuth. Foto: Daniel Bockwoldt
Rote-Flora-Anwalt Andreas Beuth. Foto: Daniel Bockwoldt
dpa
Bei den Auseinandersetzungen rund um den G20-Gipfel hat es viele Verletze und massive Zerstörungen gegeben. Foto: Axel Heimken
Bei den Auseinandersetzungen rund um den G20-Gipfel hat es viele Verletze und massive Zerstörungen gegeben. Foto: Axel Heimken
dpa
Während des G20-Gipfels: Autonomer mit Bengalos auf dem Dach der Roten Flora. Foto: Christian Charisius
Während des G20-Gipfels: Autonomer mit Bengalos auf dem Dach der Roten Flora. Foto: Christian Charisius
dpa