Der britische Thronfolger schrieb ein facettenreiches Buch über Mensch und Umwelt und darüber, was sich ändern lässt Prinz Charles und die Harmonie
Von Tina Heinz
Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor – oder kurz: Prinz Charles. Der britische Thronanwärter, der sich schon seit vielen Jahren – meist leise – für den Naturschutz engagiert, hat gemeinsam mit dem früheren Chef der Umweltorganisation "Freunde der Erde", Tony Juniper, und dem Fernsehautor Ian Skelly ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel "Harmonie – eine neue Sicht unserer Welt" und ist, wie der Prinz selbst zu Beginn schreibt, "ein Aufruf zur Revolution".
Und diese Revolution sollte sich möglichst bald auf vielen Gebieten vollziehen – von Landwirtschaft und Industrie über Architektur, Ernährung bis hin zum Klima sowie im Bereich Bildung. Seine persönliche Revolution startete er in Zeiten, als noch niemand etwas von ökologischen Ideen wissen wollte. Belächelt und verspottet wurde der "Bio-Prinz" damals von vielen Seiten. Inzwischen gehört Charles jedoch zum Mainstream und ist ein erfolgreicher Öko-Unternehmer. Unter dem Namen "Duchy Originals" verkauft er Konfitüren, Olivenöl und Biokekse – besondere Kost zu besonderen Preisen.
Dass Prinz Charles mehr will als Bioprodukte auf den Tisch zu bringen, beweist er in seinem Buch. Mehrere Jahrzehnte umfassende Erfahrungen im Engagement für Umwelt und Soziales hat er in "Harmonie" festgehalten. Dabei stellt er – etwas zu deutlich – in den Vordergrund, dass richtigem Handeln immer richtiges Denken vorausgeht. Und dies funktioniert nach Auffassung des britischen Thronfolgers nicht ohne die Erkenntnis, dass wir alle Teil des Ganzen sind.
Zu dieser Erkenntnis gehört auch, das Wissen längst untergegangener Kulturen aufzunehmen und zu verwerten. Prinz Charles begibt sich deshalb mit dem Leser auf Reisen zu ägyptischen Pharaonen und Priestern, ins antike Griechenland oder ins mittelalterliche Europa. Denn Charles geht davon aus, dass die Kombination von heutiger, moderner Technologie und traditionellem Wissen der Schlüssel zum Erfolg ist. Nur so sind wir – und das "Wir" betont der Thronfolger ganz bewusst – in der Lage, die Balance zwischen Mensch und Natur wieder herzustellen.
Mit viel Leidenschaft und Überzeugungskraft bringt der Fürst von Wales und Herzog von Cornwall dem Leser seine Sicht auf die Welt, die Ökonomie und die Natur nahe. Eine Vielzahl von Beispielen – die meisten davon aus seiner Heimat – dient der Veranschaulichung der ökologischen und sozialen Probleme. In diese Beispiele eingewoben referiert Prinz Charles über okzidentalisches und orientalisches philosophisches Gedankengut aus mehreren Jahrhunderten der Menschheitsgeschichte.
Denn natürliches, philosophisches Denken sieht der britische Adlige als Möglichkeit, Harmonie und Nachhaltigkeit in allen Kreisläufen zu erneuern. Die von ihm angeprangerte Industrialisierung stützt sich zu stark auf mechanistische Wissenschaftsauffassungen, also auf den Empirismus.
Charles verdeutlicht diese mechanistische Denkweise an einem Beispiel aus den USA, in dem er die Massentierhaltung mit Konzentrationslagern vergleicht. Dort würden viele Millionen Dollar dafür ausgegeben, "Frischfleisch in riesigen, energiefressenden Chemieanlagen mit Ammoniak zu begasen, um es von verhängnisvollen Kolibakterien zu befreien. (...) Diese Bakterien existieren überhaupt nur durch die Massentierhaltung. (...) Die Rinder könnten leicht von Kolibakterien frei gehalten werden, wenn sie zu fressen bekämen, was die Natur ihnen zugedacht hat, nämlich Gras, aber zu diesem Schluss ist das mechanistische Denken nicht fähig."
Doch in dem sieben Kapitel umfassenden Buch attackiert Prinz Charles nicht nur die mechanistische, industrielle Denkweise, er macht auch Vorschläge, um die aktuellen ökologischen und sozialen Probleme zumindest zu relativieren. Er zeigt konkrete Schritte und Hoffnungsschimmer. Dabei spannt er nicht nur einen Bogen von vergessenen christlichen Wurzeln in die Gegenwart.
Er führt dem Leser auch die Lebensweise der indigenen Völker vor Augen. Im Kapitel "Teilhabe" schreibt er, dass wir von den Naturvölkern lernen müssen, nicht gegen, sondern mit der Natur zu leben. Die spirituelle Reise, auf die sich Charles dabei begibt, führt den Leser durch alle Religionen. – Ein weiteres Beispiel für den Facettenreichtum des Buches, das sich nicht nur oberflächlich mit Umweltschutz beschäftigt.
Der Autor hält den Leser nicht an, auf Reisen ins Ausland mit dem Flugzeug zu verzichten, nur um die Schadstoffemission zu reduzieren oder einen Tag lang keine elektrischen Geräte zu nutzen. Vielmehr gibt der britische Thronanwärter einen umfassenden Überblick über nachhaltiges Leben. Und der Leser gewinnt auch einen Einblick hinter die königliche Fassade des Bio-Prinzen.
Der Verfechter des nachhaltigen Wirtschaftens hat auch den Königspalast nicht von Umweltschutz-Maßnahmen verschont. So ließ Charles unter anderem eine Klospülung mit Regenwasser einbauen. Der Thronfolger hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, beispielsweise über biologisches Gärtnern.
Seinen Kritikern erklärt er im Buch: "(...) wenn sie solch eine Vision ablehnen, ist es an Ihnen, mit etwas Besserem aufzuwarten".