Russland strebt demonstrativ nach Asien und investiert Milliarden im Osten des Landes Putins Hoffnung heißt Wladiwostock
Die "Hoffnung" liegt in Wladiwostok. Ein knapp 110 Meter langes Segelschulschiff trägt diesen Namen, auf Russisch natürlich: "Nadeschda". Der Wind weht scharf an diesem Wintertag. Über eine schmale Schräge geht es übers Heck an Deck. Den Drill in den Knochen, treibt Kapitänsassistentin Jelena Dewjatowa die Besucher über glatte Dielen und enge Treppen in den Bauch des Dreimasters. Das Schiff ist die Visitenkarte von Wladiwostok, der Stadt, in der die russische Pazifikflotte stationiert ist. Flott führt die resolute Frau durch die Gänge und schwärmt von internationalen Regattasiegen der Vorzeige-Kaderschmiede.
Jackie Chan auf Lehrschiff
Sie holt ein altes Foto hervor, wie eine kleine Trophäe. "Er war zu Gast bei uns. Erkennen Sie ihn?" Ein Mann mit Sonnenbrille und breitem Grinsen ist zu sehen: Jackie Chan. Der Hollywood-Schauspieler an Bord des russischen Marine-Lehrschiffs mitten in der östlichsten Hafenstadt des Landes, das Bild hat etwas vom neuen Russland. Einem Russland, das demonstrativ die Nähe zu seinen östlichen Nachbarn in Asien sucht, weil es Wachstum sowie geopolitischen Ausgleich gegenüber dem Westen verspricht - und das den Einfluss jenes Westens doch tief in sich trägt.
Wladiwostok - was so viel bedeutet wie "Beherrsche den Osten" - soll Vorposten für den Vorstoß nach Asien sein - und ist eine zutiefst europäisch geprägte Stadt. Sie grenzt an China, Nordkorea und das Japanische Meer. "Das nicht zu nutzen, um das fernöstliche Russland und Sibirien zu entwickeln, wäre falsch", sagt der Gouverneur der hiesigen Region Primorje, Wladimir Mikluschewski. "Russland ist ein asiatisches und ein europäisches Land." Ein Auto- und ein Holzsägewerk nennt er bisherige Kooperationen mit den Japanern in Primorje, er will sie ausbauen. Darüber hinaus sind es Mega-Deals im Gas- und Ölgeschäft, die erfolgreich für das Hinterland vorangetrieben werden, über die staatsnahen Konzerne Gazprom und Rosneft vor allem mit China. Russlands Ferner Osten gilt als Wachstumsmarkt.
Ein neuer Flughafen
Ein vor zwei Jahren neu geschaffenes Ministerium soll bis 2025 mehrere hundert Milliarden Rubel aus dem Staatshaushalt in die Region stecken. Investoren aus dem Westen schauen mit wachsender Sorge auf die künftigen Schritte dieser Wirtschaftspolitik.
Zum Apec-Gipfel 2012 hatte Präsident Wladimir Putin die Weichen dafür gestellt. Das Nadelöhr war Wladiwostok. Hier, auf der Insel Russki, trafen sich die Staats- und Regierungschefs der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft in einem aus dem Boden gestampften Kongresszentrum. Danach entstand daraus der neue Universitäts-Campus - dessen Ausbau bis heute läuft. Ein moderner Flughafen beeindruckt mit Glasfassade, und zwei Hunderte Meter lange Schrägseil-Brücken wurden neu gebaut. Ein teurer Segen für die rund 600 000 Einwohner in der durch Buchten zerschnittenen, fast surreal anmutenden Stadt.
Seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts herrscht Eiszeit in den politischen Beziehungen zu Europa und den USA. Der Kreml sucht die Nähe zu Asien - und trifft auf Hindernisse. Russlands Wirtschaft rutscht ab. Der Rubelsturz treibt die Preise nach oben. Zudem streifen die verhängten Sanktionen westlicher Länder gegen Putins Ukraine-Kurs mittlerweile die Region.
Sanktionen wirken
Ein Prestigeprojekt für Wladiwostok, der Bau einer Erdgasverflüssigungsanlage in Kooperation mit den Chinesen, steht auf der Kippe. Eine der Gläubigerbanken für das Vorhaben ist von den Sanktionen betroffen. Mit Japan stocken Verhandlungen, weil das Land bei den Sanktionen mitzieht. Auf einem Felsen neben einer der neuen Brücken prangt eine Antwort aus Fernost: "Die Krim ist russländisch", ein Graffito als Solidaritätsbekundung mit Putins Politik.
Der ist in der Stadt ein gern gesehener Gast. Auf der "Nadeschda" war Putin auch schon. Die rothaarige Seefrau Jelena Dewjatowa zeigt den Fotobeweis, gleich nach Jackie Chan. Mit Stolz. Neben dem Präsidenten ist sie auf diesem Bild selbst mit abgelichtet.