Statt mit Reformen versucht Frankreichs Präsident Sarkozy mit Populismus zu punkten Schwache Leistung, großes Ablenkungsmanöver
Frankreich gilt als ein kranker Mann Europas – nur langsam erholt sich das Land von der Weltwirtschaftskrise. Jetzt allerdings glaubt Präsident Nicolas Sarkozy, eine zweite Chance für sich entdeckt zu haben.
2012 wählt Frankreich das nächste Mal einen Präsidenten – und bis dahin mag es noch ein Weilchen sein. Sarkozys Wirtschaftsbilanz aber, das zeichnet sich schon jetzt ab, wird verheerend sein, gemessen an den Versprechungen, die er im Wahlkampf einst abgab.
Brennende Vorstädte
Ganz schön weit wagte sich der Kandidat damals vor. Eine "rupture", einen "Bruch" mit der alten Politik kündigte er an. Sarkozy versprach, Frankreich wirtschaftspolitisch umzukrempeln und fit für die Globalisierung zu machen. Er wollte den öffentlichen Sektor verkleinern, Bildungsreformen anschieben oder die soziale Durchlässigkeit verbessern. Geliefert hat Sarkozy wenig. Nach über drei Jahren im Präsidentenamt konzentriert sich nun fast alles auf die geplante Rentenreform.
Von 60 auf 62 Jahre soll das Renteneintrittsalter in Frankreich steigen. Angesichts der starken Gewerkschaften, die gegen das Vorhaben mobilisieren, muss Sarkozy sogar um diese Restreform bangen. Die Chancen für seinen Rentenplan, über den das Parlament im Herbst entscheidet, stehen zwar gut. Vieles kommt jetzt aber auf die Opposition an. Sollten sich die Sozialisten zusammenreißen und ihren Dauerstreit ausnahmsweise beilegen, könnten sie Sarkozy noch eine schwere Niederlage zufügen.
Der Präsident will vorbauen. Deshalb hat er ein Politikfeld neu für sich entdeckt, das im Wahlkampf 2007 ebenfalls schon eine wichtige Rolle spielte: die innere Sicherheit.
Der Wahlkampf stand im Zeichen der heftigen Pariser Vorstadtaufstände. Unvergessen, wie Sarkozy – damals noch Innenminister – schimpfte, "mit dem Kärcher", einer Reinigungsmaschine, die Vorstädte säubern zu wollen. Integrationspolitik spielte zu Beginn von Sarkozys Präsidentschaft eine prominente Rolle. So holte er etwa die erst 30-jährige Farbige Rama Yada als Staatssekretärin ins Außenministerium. Nachdem sie Sarkozy aber mehrfach kritisiert hatte, stellte sie der Präsident als Staatssekretärin für Sport politisch kalt.
Dass Sarkozys Integrationspolitik wenig Wirkung zeigt, hat sich gerade in den vergangenen Wochen wieder mehrfach gezeigt. In Grenoble und Saint-Aignan brannten die Vorstädte. Derzeit beschäftigt die Öffentlichkeit vor allem Sarkozys Umgang mit der Roma-Minderheit im Land.
Rund 15000 Roma aus Rumänien oder Bulgarien leben derzeit in Frankreich. Nachdem Polizisten einen Angehörigen der Minderheit erschossen hatten, der versucht hatte, eine Polizeikontrolle zu durchbrechen, kam es zu Roma-Aufständen. Mit Äxten und Eisenstangen griffen sie eine Polizeistation an. Sarkozy versprach, hart durchzugreifen.
Im ganzen Land räumt die Polizei jetzt Roma-Lager. Über 40 sollen es diese Woche schon gewesen sein. Die Bilder von Polizisten, die Frauen mit Kindern drangsalieren, polarisieren die Öffentlichkeit.
Populistisch
Von "Niedertracht" sprechen selbst Parteikollegen Sarkozys. Einigen missfiel schon der Umgang des Präsidenten mit den jüngsten Vorstadtaufständen. Sarkozy hatte angekündigt, Menschen mit Migrationshintergrund auszuweisen, selbst wenn sie die französische Staatsbürgerschaft besitzen. Als Angriff auf die Werte der Republik bezeichnete das die Opposition.
Mit Recht. Eine solche Maßnahme gegen Aufständische dürfte vor den französischen Gerichten kaum Bestand haben. Sarkozy geht es weniger um effektive Maßnahmen. Er will vor allem rhetorisch punkten.
So populistisch das sein mag, Sarkozys Kurs ist auch Kalkül. Die Wahl 2007 entschied er auch deshalb klar für sich, weil er der rechtspopulistischen Front National eine vernichtende Niederlage zufügte. Selbst viele ihrer Stammwähler stimmten für Sarkozy.
Beim harten Vorgehen gegen die Roma und Aufständische wird Sarkozy auch diese Wählergruppe im Blick haben. Fragwürdig ist sein Vorgehen dennoch. Und zwar nicht nur moralisch. Selbst politisch dürfte Sarkozys Kalkül nicht aufgehen.
"Die öffentliche Meinung hat sich nicht täuschen lassen", schrieb der Philosoph und Publizist Bernard-Henry Lévy kürzlich in der "Welt". Die Franzosen durschauen Sarkozys Manöver: Mit seinen harten Maßnahmen gegen Roma und Aufständische will er von seiner schwachen Bilanz als Wirtschafts- und Sozialreformer ablenken.
Ob ihm das die Franzosen allerdings durchgehen lassen? Mag sein, dass Sarkozy dieser Tage vor allem am Rechten Rand bei den Wählern punktet. In der Mitte könnten ihm allerdings noch mehr Stimmen verloren gehen.
Besser wäre, Sarkozy leitete endlich überzeugende Reformen ein. Doch dafür, so scheint es, ist der Präsident zu schwach.