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Vor Thüringen-Wahl TV-Duell ohne Schaum vorm Mund

Das Streitgespräch zwischen Börn Höcke und Mario Voigt wurde zur Fernsehdebatte des Jahres hochstilisiert. Es ging besonnener zu als gedacht.

Von Steffen Honig 12.04.2024, 18:00
Björn Höcke und Mario Voigt im Studio.
Björn Höcke und Mario Voigt im Studio. Foto: dpa

Magdeburg - Was für eine Geste: Björn Höcke will Mario Voigt seine Rechte reichen und erklärt: „Meine Hand ist ausgestreckt.“ Der CDU-Politiker bräuchte nur einzuschlagen und das Bündnis wäre besiegelt. Das tut Voigt natürlich nicht.

Die Szene spielt sich kurz vor Ende des 71-minütigen Duells beim TV-Sender Welt zwischen den beiden Spitzenkandidaten für die Thüringer Landtagswahl am Donnerstagabend ab. Es geht zumeist gesittet zu bei der zum TV-Duell des Jahres hochgejazzten Übertragung. Voigt ist die Ruhe selbst und Höcke gerät nur selten in Erregung, Es ist kein Parteitagsauftritt. Von Moderatorin Tatjana Ohm begrüßt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, grinst Höcke nur.

Drei gegen einen

Freundlichkeit kann er von den Fragestellern Ohm und Jan Philipp Burgard nicht erwarten. Den Kontrahenten Voigt hinzugenommen, hat es der AfD-Rechtsaußen Höcke mit drei Gegnern zu tun. Voigt sagt: „Es ist einfach ihn einen Faschisten zu nennen, das hat ein Gericht schon gemacht.“ Es gehe um die Auseinandersetzung darüber, was Höckes Politik für einen Schaden produziert.

Während der AfD-Mann den im Ton gemäßigten, in der Sache aber scharfen Nationalisten gibt, versucht Voigt, sein Gegenüber durch staatsmännische Attitüde bloßzustellen. Die vorgegebenen Themen, zu denen Voigt und Höcke ausführlich monologisieren können, betreffen Bund, Europa und Welt – kaum aber die Landespolitik.

Höcke fordert sei Jahr und Tag den EU-Austritt Deutschlands und dafür einen „Bund europäischer Staaten“. An der CDU-Politik lässt er kein gutes Haar: „Sie sind die Wohlstandsvernichter“. Er geißelt CO2-Bepreisung, hohe Energiepreise und Verbrenner-Verbot. Voigt beschreibt die EU hingegen als „Haus, das uns immer beschützt hat“ und verweist auf eine Studie, nach der Thüringer bei einem EU-Austritt pro Jahr 1.000 Euro weniger verdienen würden.

Bei der Migration geht Höcke rundweg weitere Zuwanderung von Muslimen ab: Ihre Kultur passe nicht hierher. Selbst Voigt sieht nur eine radikale Lösung: „Null illegale Migration in Deutschland“. Aus der Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“ in einer Rede windet sich Höcke heraus: Er habe diesen Zusammenhang nicht gekannt.

Höcke tischt wie erwartet Nationalistisches auf. Er will das deutsche Volk vergrößern: „Kinderkriegen wird bei einer AfD-Regierung nicht mehr am Geld scheitern.“ Der Holocaust sei ein „Zivilisationsbruch“ gewesen. Nun aber sei wieder der „gesunde Patriotismus“ dran.

Gewonnen hat bei diesem Duell zuallererst der veranstaltende Privatsender Welt – an Bekanntheit und Quote, die mit 4,2 Prozent Marktanteil für den Sender einen Spitzenwert darstellt.

Gehacktes schägt Mettbrötchen

Auch Höcke verbucht einen Gewinn, der bereits vorher absehbar war: In mehr als einer Stunde Bildschirm-Präsenz kann er seine Ansichten verbreiten, ein Geschenk des Himmels für einen Wahlkämpfer, den sämtliche Sender sonst mit spitzen Fingern anfassen.

CDU-Mann Voigt hat zumindest nicht verloren. Selbstbewusst sagt er: „Ich will Ministerpräsident werden.“ Koalitionspartner hat er im Blick. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht bezeugt der CDU-Spitzenkandidat Wohlwollen. „Da ist viel in Bewegung.“ Dazu noch die FDP – und er wäre vielleicht am Ziel. Voigt will eine Regierung ohne die AfD mit den „völkischen Ideen von Herrn Höcke“.

Jener Herr Höcke, der von Mettbrötchen spricht und so die offene Flanke des Westlers bietet. Voigt: „In Thüringen heißt das Gehacktes.“