Demonstration gegen Museum auf dem Gebiet des ehemaligen Führer-Hauptquartiers Ukraine streitet über ehemaligen Hitler-Bunker
Von Nina Jeglinski
Darka Pinjak ist wütend. "Wir wollen keine Pilgerstätte und kein Aufmarschgebiet für Nazis sein", schreit die Ukrainerin aus dem Dorf Strischawka. Seit Monaten protestieren Demonstranten dort, unweit der Stadt Winniza, gegen die Eröffnung eines Museums auf dem Gebiet des ehemaligen Führer-Hauptquartiers "Werwolf".
Insgesamt rund vier Monate hielt sich Adolf Hitler während des Zweiten Weltkrieges hier auf. Erst vor kurzem gedachte die frühere Sowjetrepublik des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die damalige Sowjetunion am 22. Juni 1941. Seit bekannt wurde, dass auf der weit verzweigten, 1941 von Zwangsarbeitern errichteten Werwolf-Bunkeranlage eine Touristenattraktion entstehen soll, laufen nicht nur die Dorfbewohner Sturm. Heute dient das frei zugängliche Waldgebiet vielen Anwohnern als Weideland für ihre Tiere und ist beliebtes Ziel für Picknicks. Dabei legen die umherliegenden, von Moos und Gras überwucherten Betontrümmer immer noch Zeugnis einer gewalttätigen Vergangenheit ab.
"Wir wollen eine Gedenk- und Informationsstätte für alle Opfer des Faschismus schaffen", erklärt Pawel Melnik vom Regionalmuseum Winniza. Zusammen mit seinen Kollegen hat der Kurator ein Konzept für eine Gedenkstätte entwickelt. Nach jahrelangen Vorbereitungen sollte das Museum eigentlich bereits am 9. Mai dieses Jahres eröffnet werden - rechtzeitig zum 66. Jahrestag des Kriegsendes.
Doch mittlerweile sorgt der Streit auch in der Hauptstadt Kiew für Aufregung. Bei einem Besuch in Winniza – etwa 250 Kilometer südwestlich von Kiew – stellte Präsident Viktor Janukowitsch kategorisch fest: "Die Menschen sollen entscheiden, ob sie ein solches Museum in ihrer Nachbarschaft wollen." Die Reaktion zeigt das geringe Interesse der politischen Führung an einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges. Doch die Debatte wird längst geführt.
Als das Landgericht München jüngst den greisen, in der Ukraine geborenen John Demjanjuk als Kriegsverbrecher zu fünf Jahren Haft verurteilte, ging eine Welle der Empörung durch die Ex-Sowjetrepublik. "Die Deutschen meinen, sie haben genug gesühnt. Nun wollen sie ihre historische Schuld am Zweiten Weltkrieg auf andere Länder abschieben", klagt Pjotr Bondaruk, ein Bewohner aus Demjanjuks Heimatdorf Dubowyje Macharinzy im Gebiet Winniza.
Das ist keine Einzelmeinung. Internetforen und Zeitungen sind sich einig: Die Deutschen waren die Kriegstreiber, alle anderen waren Opfer. Dass Abertausende Ukrainer sich freiwillig zu willfährigen Kollaborateuren der Nazis machten, wird oft geflissentlich übersehen.
Der Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg spaltet auch beim Gedenken: Im Frühjahr erließ Präsident Janukowitsch ein Gesetz, nach dem die Sowjetflagge an öffentlichen Gebäuden an Kriegsgedenktagen gehisst werden kann. Daraufhin kam es in der russenfeindlich geprägten West-Ukraine am 9. Mai zu blutigen Ausschreitungen zwischen Veteranen der Roten Armee und Nationalisten, die das sowjetische Erbe ablehnen. Nun erklärte das oberste Gericht das Gesetz für verfassungswidrig, weil die rote Fahne nicht zu den offiziellen Staatssymbolen der Ukraine gehöre.(dpa)